Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 1955
Bassenheim (Landkreis Mayen-Koblenz)

Die Marienkapelle auf dem Karmelenberg

Die Marienkapelle auf dem 373 m hohen Karmelenberg ist ein gut verborgenes kunsthistorisches Kleinod, das nur der jenige findet, der davon weiß. Der Karmelenberg ist ein dicht bewaldeter Vulkankegel unweit der Autobahn, der zwischen Ochtendung und Bassenheim liegt und als markante Erhebung die Pellenz und das Maifeld dominiert. Ein Teil des Berges wurde früher abgebaut, der Fußweg führt am historischen Schlacken-Steinbruch vorbei. Heute ist der ganze Berg mit dem Aufschluß ein Naturschutzgebiet. Die Stelle oben auf dem Berg ist schon in frühgeschichtlicher Zeit ein heidnisches Heiligtum gewesen. Mit dem Bau der Kapelle wandelte sich der früher auch Hexenberg genannte Schlackenkegel in den Karmelenberg um, unter Bezugnahme auf den Berg Karmel im Heiligen Land, nach dem sich wiederum die Karmeliter nennen, für die die Marienverehrung eine besondere Rolle spielt. Von Bassenheim her führt eine uralte Allee hinauf zum Berg und zu dem auf seiner Spitze auf einer kleinen Lichtung stehenden Marienheiligtum. Die Allee wurde 1662 angepflanzt und ist 1100 m lang, und die noch vorhandenen 106 Bäume von einst 150 Rotbuchen, Stieleichen, Linden und Roßkastanien sind für sich schon ein sehenswertes Naturdenkmal.

Die 7 x 13 m messende Marienkapelle wurde 1662 im Auftrag von Johann Lothar Freiherr Waldbott von Bassenheim (-21.2.1667) für ein der Legende nach wundertätiges Gnadenbild aus Luxemburg errichtet, eine 18 cm große Consolatrix afflictorum (Trösterin der Betrübten). Der Baumeister war Matthias von Saarburg (ca. 1615-19.3.1681), ein Kapuzinerarchitekt, der in dieser Zeit auch für den Kurfürsten in Ehrenbreitstein arbeitete. Es wurde ein verputzter Bruchsteinbau mit Natursteingewänden, mit zwei Fenstern an jeder Seite. Der kreuzgewölbte Chor im Anschluß an die flachgedeckte Saalkirche war seitlich eingezogen und schuf so zu beiden Seiten Platz für die Sakristei und ein Oratorium im Erdgeschoß und darüber für die Herrschaftslogen der Waldbott von Bassenheim, die über zwei in den Baukörper integrierte Treppentürme zu erreichen waren. Der Eingang liegt auf der Ostseite, die wie Nord- und Südseite zwei Fenster aufweist, dazu ein Rundfenster im Giebel. Die Bezeichnung "Kapelle" ist etwas untertrieben bei den Dimensionen und der Ausstattung mit drei Türmchen, davon zwei Treppentürmen und einem Glockenturmaufsatz, mit einem Hauptaltar und zwei Seitenaltären, mit einer Kanzel und einem Beichtstuhl.

1666 war die Marienkapelle fertiggestellt, und damit ist sie die älteste Barockkirche des Koblenzer Raumes. 22 Jahre lang diente sie ausschließlich der Andacht der Dorfherren und ihrer Familie. Für die Allgemeinheit wurde sie 1688 mit einer Massenfirmung von 500 Jugendlichen aus der Region zugänglich und entwickelte sich in der Folgezeit zu einem Wallfahrtsziel und Pilgerzentrum, und 1-2 Eremiten lebten ständig hier in der Waldeinsamkeit. Über dem Chor war eine Klausnerstube für sie eingerichtet. Der letzte Klausner, Nikolaus Hoelzer, ist 1826 erschlagen worden. Ein 1760 erneuerter Kreuzweg mit sieben Stationen (mit den sieben Fußfällen, einer alten Volksandacht) führte den Berg hinauf und endete an einem Basalthochkreuz aus dem Jahr 1733 neben der Kapelle.

Die Bedeutung der Marienkapelle für die Region sicherte ihren Bestand bis ins 20. Jh., auch nachdem französische Revolutionstruppen nach der Inbesitznahme von Bassenheim im Jahre 1794 die Marienkapelle verwüstet hatten und religiöses Leben in ihr über mehrere Jahrzehnte nicht mehr stattfand. Dann erlahmte das Interesse an Wallfahrten und Prozessionen zur Kapelle im späten 19./20. Jh., es war kein Geld für den Unterhalt da, und das Bauwerk wurde nach den letzten Renovierungen im Jahre 1853/54 bzw. im Jahre 1912 quasi sich selbst überlassen.

 

Die Marienkapelle war zwischenzeitlich von starkem Verfall gezeichnet; durch das verfaulte Dach drang Wasser ein, das Fundament war undicht, es gab keine Regenrinnen, der Putz bröckelte innen wie außen, die Fenster waren kaputt und der Wind pfiff durch das Gebäude, es folgte ein Teileinsturz der wegen Feuchtigkeitsschäden nicht mehr tragfähigen Decke, und die einzigartigen Wappen waren verrottender Brösel. Fast schien es unmöglich, das barocke Kleinod zu retten, doch es gelang schließlich mit vereinten Kräften: Zunächst einmal wurde die Kapelle 1992 durch den Ankauf für eine symbolische Mark in Gemeindeeigentum überführt. Zwischen 1993 und 1998 wurde sie umfangreich renoviert, wobei die Kosten 1,052 Mio. DM betrugen, finanziert durch von einem 1993 gegründeten Förderverein gesammelte Spenden (36 %), durch die Gemeinde Bassenheim (36 %) und das Land Rheinland-Pfalz (13 %), durch die Kirchengemeinde St. Martin (6 %), durch den Landkreis (1,4 %), die Diözese (3,5 %) und durch die angrenzenden Nachbargemeinden. Die feierliche Wieder-Einweihung der renovierten Marienkapelle mit einer Fest- und Dankandacht fand am 24.Mai 1998 statt.

 

Diese aufwendige heraldische Komposition über dem Eingang enthält die gesamte Genealogie des Bauherrn, seiner Eltern und Ehefrauen. Auf der Brust des Schwanes befindet sich das Wappen des Bauherrn, bereichert um die Komponenten seiner beiden Ehefrauen. Das Wappen ist geteilt und halbgespalten, oben: zwölffach rot-silbern geständert (Waldbott von Bassenheim), unten rechts: fünfmal rot-silbern schräggeteilt, darüber ein dreilätziger blauer Turnierkragen (von Reiffenberg), unten links: geviert mit Herzschild: Feld 1 und 4: in Rot ein schrägrechter, staffelförmiger, silberner Balken, oben und unten begleitet von je drei goldenen Kreuzchen (Winneberg), Feld 2 und 3: in Rot drei (2:1) silberne Hifthörner mit goldenen Spangen und Bändern (Braunshorn-Beilstein), Herzschild: in Silber drei (2:1) schwarze Jakobsmuscheln (Metternich).

Die Füße des Schwanes enden außergewöhnlich: Beide sind mit einer vergoldeten, nach außen gerichteten Krone besteckt, und der Übergang wird von einem über den Fuß geworfenen Schriftband verdeckt. Optisch links ist der Name "REIFFENBERG" zu lesen für die erste Frau des Bauherrn, optisch rechts "HVNDT" für seine Mutter.

Die stark abgekürzte Inschrift in der Mitte lautet: "IOH(ANN) LOTHA(R) FREY(HERR) V(ON) WALTP(OD) H(ERR ZV) BASSEN(HEIM) CRANS(FELD) V(ND) SEVE(NICH) A(NNO) S(ALVTIS) 1662 - IOHAN(NA) WAL(BVRGA) FRAW V(ON) BASS(ENHEIM) GEBOR(ENE) FR(AW) V(ON) REIFF(ENBERG) - AN(N)A MAGD(ALENA) FRAW V(ON) BASS(ENHEIM) GE(BORENE) V(ON) MEDT(ERNICH) WIN(NEBVRG) V(ND) BEILSTEIN." Das Spruchband war total verwittert, wurde aber anhand des überlieferten Textes wiederhergestellt.

Die genealogische Basis für diese Wappenkombination sind die beiden Ehen des Bauherrn Johann Lothar Freiherr Waldbott von Bassenheim (-21.2.1667), Herr zu Bassenheim und Pyrmont, kurmainzischer und kurkölnischer Geheimrat, Amtmann zu Lahnstein und Andernach. Seine erste Frau war Johanna Walpurga von Reiffenberg (-3.2.1651), Tochter von Johann Heinrich Freiherr v. Reiffenberg (-4.3.1628) und dessen Frau Anna v. Cronberg (-24.1.1651). Und seine zweite Frau war Anna Magdalene Gräfin v. Metternich-Winneburg und Beilstein, Tochter von Wilhelm Freiherr v. Metternich-Winneburg und Beilstein (-1652), kaiserlicher Hof- und Kriegsrat, kurtrierischer Amtmann von Mayen, Monreal und Kaisersesch, Burggraf zu Starkenburg, kurmainzischer Geheimer Rat, spanischer Oberst, Oberstmarschall, Oberhofmeister der Kaiserin Eleonore, kaiserlicher Kammerherr und Burggraf zu Eger, der am 28.10.1635 den Reichsfreiherrenstand erhielt, und dessen Ehefrau Anna Eleonora Brömser v. Rüdesheim. Anna Magdalene war die Schwester von Karl Heinrich v. Metternich (15.7.1622-26.9.1679), der am 9.7.1679 Kurfürst und Erzbischof von Mainz und Fürstbischof von Worms wurde.

Auf den Flügeln des Schwanes sind zwei weitere Wappenschilde, die für die Eltern des Bauherrn stehen. Heraldisch rechts ist der zwölffach rot-silbern geständerte Schild für seinen Vater Damian Freiherr Waldbott v. Bassenheim (2.4.1577-21.11.1640), Amtmann zu Lahnstein und Lahneck, der am 16.4.1638 Reichsfreiherr wurde. Er war der Sohn von Anton Waldbott v. Bassenheim (-25.4.1589) und Maria Sophia v. Gymnich (-1584). Heraldisch links ist das Wappen für dessen zweite, 1652 geehelichte Frau Maria Elisabeth Hund v. Saulheim (1595-1681), die Tochter von Marquard Hund von Saulheim und Walburga von Staffel. Für Maria Elisabeth war es die erste Ehe, nach dem Ableben ihres Gemahls heiratete sie erneut, diesmal Lothar Freiherr v. Metternich-Winneburg und Beilstein (-1663), kurtrierischer Geheimrat, Oberlandhofmeister, Amtmann zu Koblenz. Das Wappen der Edlen Hund von Saulheim zeigt in Silber drei (2:1) rote, mit den Spitzen nach rechts gerichtete Mondsicheln, einen schwarzen, hier fünfstrahligen Stern einschließend.

 

Der Schwan ist das Wappentier der Waldbott von Bassenheim, der im Wappen der Familie sowohl als wachsender, auffliegender silberner Schwan in der Helmzier auftaucht als auch als Schildhalter. In der Helmzier sind seine ausgebreiteten Flügel jeweils mit einem wie der Schild bez. Schildchen belegt. Hier dient der Schwan, schwarz angestrichen, als Schildhalter, aber die Flügel sind ebenfalls mit Schildchen belegt, nur daß sie im Unterschied zur Waldbott-Helmzier beide gekrönt sind und die elterlichen, nicht identischen Wappeninhalte zeigen.

Das um die Felder seiner beiden Ehefrauen erweiterte Wappen des Bauherrn findet sich außer über dem Eingang insgesamt noch siebenmal an der Außenseite der Kirche. Die Nord-, die Ost- und die Südseite besitzen jeweils zwei Fenster, über denen es angebracht ist, und eine weitere Darstellung befindet sich an der Südseite des Chores, erheblich tiefer an der Wand als die anderen. Alle Darstellungen sind inhaltlich gleich. Hinsichtlich dieser Qualität und der Vielzahl der Reliefs sucht der aufwendige bauplastische heraldische Schmuck für so eine abgelegene Kapelle seinesgleichen.

Abb. links: Wappen am Chor auf dessen Südseite, Abb. rechts: Wappen am linken Fenster der Südseite

Genealogie der Waldbott von Bassenheim in der Bassenheimer Linie, Teil (1):

Abb. links: Wappen am rechten Fenster der Südseite. Die Restauratoren haben hier an den Fenstern großartige Arbeit geleistet, denn vorher waren die Wappenreliefs aus Naturstein so stark verrottet und in der Substanz geschädigt, daß teilweise kaum noch Struktur zu erkennen war, wie Abbildungen auf den aufgestellten Schautafeln anschaulich belegen. Die Wappensteine sind daher Rekonstruktionen.

Abb. links: Wappen am rechten Fenster der Ostseite. Über allen Schilden ruht eine Perlenkrone, die bei den Fenstern der Ostseite nicht vergoldet sind.

Im Innern der Kirche ist am Schalldeckel der Kanzel noch ein barockes Allianzwappen für Rudolph Johann Graf Waldbott v. Bassenheim (1680-29.1.1731) und seine Frau Maria Antonia Franziska v. Ostein (8.6.1710-8.10.1788) zu sehen; letztere führte den aufspringenden Windhund in blauem Feld.

Genealogie der Waldbott von Bassenheim in der Bassenheimer Linie, Teil (2):

Abb. links: Wappen am rechten Fenster der Nordseite, Abb. rechts: Wappen am linken Fenster der Ostseite

Abb. links: Wappen am rechten Fenster der Ostseite, Abb. rechts: Wappen am rechten Fenster der Südseite.

Literatur, Links und Quellen:
Marienkapelle: http://www.bassenheim.de/index.php/gemeinde/geschichte/90-die-marienkapelle-auf-dem-karmelenberg
Karmelenberg:
http://de.wikipedia.org/wiki/Karmelenberg
Marienkapelle:
http://de.wikipedia.org/wiki/St._Marien_%28Bassenheim%29
Hinweistafeln vor Ort
Sehenswürdigkeiten in Bassenheim:
http://www.verbandsgemeindeweissenthurm.de/vg_weissenthurm/Touristik/Sehensw%C3%BCrdigkeiten/Bassenheim/
Vulkanpark:
http://vulkanpark.com/vulkanpark-stationen/karmelenberg
Klaus Schäfer, die Marienkapelle auf dem Karmelenberg, Gnadenbild - Andachtsort - Einsiedelei - Steinbrüche, 1659 - 1852, Eigenverlag, Nickenich 1985
Theobald Groß, der Marienkapelle die Zukunft gesichert, in: Heimatbuch 1999 Mayen-Koblenz, hrsg. von der Kreisverwaltung Mayen-Koblenz, S-W Verlag Mayen 1999, ISSN 0944-1247, S. 182-185
Theobald Groß, 350 Jahre Marienkapelle auf dem Karmelenberg - glanzvolle und trostlose Zeiten eines sakralen Kleinods", Bassenheim 2012
Bernhard Gondorf, Bassenheim bei Koblenz, Rheinische Kunststätten Heft 296, 1. Auflage 1984, ISBN 3-88094-477-6, S. 8-10
Otto Gruber: Wappen des mittelrheinisch-moselländischen Adels, Trier 1962-1965, incl. Nachtrag Trier 1967, ebenfalls veröffentlicht in verschiedenen Jahrgängen der 'landeskundlichen Vierteljahresblätter'
Rolf Zobel: Wappen an Mittelrhein und Mosel, Books on Demands GmbH, Norderstedt 2009, ISBN 978-3-8370-5292-3, 527 S.
Chronik von Bassenheim: http://www.bassenheim.de/index.php/gemeinde/chronik?showall=1&limitstart=
Saulheim: http://www.regionalgeschichte.net/rheinhessen/region/orte/orte-s/saulheim.html
Genealogien: Prof. Herbert Stoyan, Adel-digital, WW-Person auf CD, 10. Auflage 2007, Degener Verlag ISBN 978-3-7686-2515-9
Theobald Groß, Kleinod zwischen Rhein und Eifel, Impressionen aus dem geschichtsträchtigen Bassenheim, Eigenverlag
Matthias von Saarburg:
http://de.wikipedia.org/wiki/Matthias_von_Saarburg
Matthias von Saarburg:
Matthias von Saarburg:
http://mrfh.online.uni-marburg.de/drucken.php?bio_id=191
Franz Xaver Kraus, Matthias von Saarburg, in: Allgemeine Deutsche Biographie, Band 20, Duncker & Humblot, Leipzig 1884, S. 668, online:
http://de.wikisource.org/wiki/ADB:Matthias_von_Saarburg
von Metternich:
http://de.wikipedia.org/wiki/Metternich_%28Adelsgeschlecht%29
Waldbott von Bassenheim:
http://de.wikipedia.org/wiki/Waldbott_von_Bassenheim
von Reiffenberg:
http://de.wikipedia.org/wiki/Reifenberg_%28Adelsgeschlecht%29
Paul Clemen, die Kunstdenkmäler der Rheinprovinz, Band 16, Abt. 3, die Kunstdenkmäler des Kreises Koblenz, 1944, S. 64-80

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