Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 2419
Bibra (Grabfeld, Landkreis Schmalkalden-Meiningen)

Die Burg Bibra

Bibra war einst urfränkisches Land und wurde erst im 19. Jh. durch eine Grenzregulierung zu Thüringen geschlagen. Die einstige Grenzburg Bibra ist vom Grundriß eine sehr regelmäßige und übersichtliche Anlage mit einer äußeren und einer inneren Umfassungsmauer: Der Grundriß folgt einem Quadrat mit vier Ecktürmen und je einem Turm in der Mitte jeder Seite. Es gibt einen Zugang von Westen und einen von Osten, jeweils über eine Brücke führend, die den 8 m breiten Graben zwischen beiden Wallmauern überspannt, der früher mit Wasser gefüllt war, heute aber trocken und grün ist. Anstelle der heutigen Bebauung des Innenbereiches muß man sich hier ursprünglich einen zentralen neunten (Wohn-)Turm vorstellen. Im Ostturm war früher die Kapelle.

Im Detail ist die Burg freilich voller Unregelmäßigkeiten: Die Türme haben ganz unterschiedliche Maße und Dimensionen; der mittlere Nordturm ist nur noch ein wenige Meter hoher Stumpf, und der Ostturm liegt etwas nördlich der Mitte. Der Zugang von Osten her führt gerade durch den Turm, derjenige von Westen aber mit leicht schräggestellter Brücke neben dem Turm vorbei, während im Norden der Westbrücke ein Brückenpfeiler und ein vermauerter Durchgang in der Burgmauer einen einst hier gelegenen Zugang anzeigen. Die Gebäude im Innern liegen vor allem in der nördlichen Hälfte der Anlage, und im Abschnitt zwischen dem Nordwestturm und dem Westturm sitzt ein Fachwerkgeschoß der Burgmauer auf, dessen Dach in einer Höhe mit den Dächern der Türme liegt und mit diesen eine Einheit bildet. Der Nordost-, Ost-, Südost-, Süd- und Südwestturm stehen frei am Mauergeviert, die anderen beiden sind baulich eingebunden. Der Südwestturm ist ohne Dach; der Nordostturm trägt eines auf Stelzen.

Bibra wird bereits 1207 als Pfarrdorf genannt und ist eine der ältesten Besitzungen der Herren und Freiherren von Bibra, und der Ort war ursprünglich ein Allodialgut, also freies Eigengut. Auf dem Erbwege wurde Bibra zu einer Ganerbschaft, die gewohnheitsmäßig in Sechstel aufgeteilt war, die innerhalb der Linien des Geschlechts weitervererbt wurden. Ein in Haßfurt von 21 Familienmitgliedern geschlossener Burgfriedensvertrag von 1467 regelte das Zusammenleben innerhalb der Mauern unter verschiedenen Anteilseignern. Dieser Burgfriede regelte nicht nur den inneren Frieden, indem beispielweise jede Beleidigung oder jeder tätlicher Angriff untereinander mit 1 Monat Verbannung aus der Burg, jeder bewaffnete Angriff untereinander mit 3 Monaten Gemeinschaftsentzug, jede gegenseitige Verwundung mit 1 Jahr und jede Tötung mit Verbannung auf unbestimmte Zeit geahndet wurde, sondern er legte auch fest, daß kein Ganerbe seinen Anteil an einen Fürsten, Grafen oder anderen Herren verkaufen durfte und daß alle anderen Familienmitglieder bei Veräußerungsabsicht ein Vorkaufsrecht hatten. Auch für den Fall eines Wegheiratens von Töchtern war die Ablöse der Anteile vorgesehen, um den Besitz in der Familie zu halten. Ein am selben Tag geschlossener Vereinigungsvertrag regelte mögliche Streitigkeiten im Vorfeld, und diesem folgten 1509 ein weiterer Vereinigungsvertrag und 1510 ein weiterer Burgfriedensvertrag mit Ergänzung aus dem Jahr 1515.

Auch als einzelne Zweige der Familie ihren Lebensschwerpunkt auf andere Burgen, z. B. Irmelshausen oder Bramberg verlagerten, gab man die Anteile an der Stammburg nicht auf. Aber an den Eigentumsverhältnissen änderte sich im Laufe der Zeit etwas, wobei die unterschiedlichen Anteile verschiedene Wege gingen. Heinrich von Bibra trug 1343 sein Sechstel an der Burg dem Würzburger Bischof Otto von Wolfskeel zu Lehen auf. Ein anderer Heinrich von Bibra räumte 1353 Graf Johann von Henneberg-Schleusingen ein Öffnungsrecht in einem halben Sechstel ein und erhielt dafür ein Burglehen in der Burg Henneberg. Dumm war nur, daß sich besagter Heinrich 1358 eine Fehde mit Graf Johann leistete; wenn man schon dem Gegner quasi vorab die Schlüssel zu seinem eigenen Zuhause gegeben hatte, sollte man den Streit zumindest gewinnen. Es lief aber unglücklich für Heinrich, und Graf Johann zwang Heinrich, ihm all seine Eigengüter zu Lehen aufzutragen, und nicht nur besagtes halbes Sechstel, sondern auch noch ein weiteres Sechstel, und das Öffnungsrecht war jetzt auf einmal auf ein ganzes Sechstel ausgedehnt worden (vermutlich ein Versehen, weil die Beteiligten selber den Überblick verloren hatten). Damit war jetzt fast die Hälfte von Bibra Eigentum fremder Herren, und zwar verschiedener, und die von Bibra in diesen zweieinhalb Sechsteln nur Lehensnehmer.

1516 trug Valentin von Bibra ein halbes Sechstel, das er geerbt hatte, und ein halbes Sechstel, das er von Hans von Bibra (siehe beim Unteren Schloß) gekauft hatte, dem Würzburger Bischof Lorenz von Bibra, einem Bruder des besagten Hans von Bibra, zu Lehen auf. Damit war das Hochstift bereits Eigentümer von zwei Sechsteln. 1549 mußte sein Sohn Georg die Allodialgüter der Friedrichschen Güter vom Hochstift Würzburg zu Lehen nehmen. Somit war in etlichen kleinen Etappen der einstige Allodialbesitz zu einem hochkomplexen Lehen geworden.

 

Das Wappen über dem Osttor (beide Abb. oben), das durch den mittig angeordneten Turm führt, zeigt das Wappen der von Bibra, in Gold ein aufspringender, schwarzer Biber mit geschupptem Schwanz, auf dem gekrönten Helm mit schwarz-goldenen Decken ein goldener Flug, beiderseits einwärts belegt mit einem schwarzen Biber mit geschupptem Schwanz. Die Helmdecke ist auf der heraldisch linken Seite beschädigt; ebenso sind die Bügel des Helmes verlorengegangen. Die aus gelbem Sandstein angefertigte Platte wurde nachträglich in ein Stabrahmengewände eingesetzt.

 

Die Burg wurde zweimal zerstört, erst im Bauernkrieg und dann zum zweiten Mal im Dreißigjährigen Krieg. Im Bauernkrieg war es vor allem der sog. Bildhauser Haufen, der Burg Bibra erstieg und verwüstete, wovon sie sich nie wieder ganz erholen sollte. Auch die Burgen Schwebheim, Nordheim, Henneberg, Bramberg, Hiltenberg und Lichtenberg wurden im Bauernaufstand zerstört. Die Ganerben bekamen unterschiedliche Anteile an Entschädigung: Lamprecht von Bibra bekam 847 fl., Berthold von Bibra erhielt 915 fl., Michael von Bibra hatte den größten Schaden und konnte 2871 fl. geltend machen, und Hans von Bibra erhielt 1432 fl. für seinen zerstörten Anteil, woraufhin er auf seiner Parzelle 1526 eine neue Kemenate errichten ließ, wie die am Unteren Schloß angebrachte Gedenktafel erzählt. Im Dreißigjährigen Krieg wurde Burg Bibra erst 1635 von den Kroaten des Grafen Isolani geplündert und verwüstet und erneut 1646 von den Truppen von Hessen-Kassel gebrandschatzt, die gegen in der Burg verschanzte kaiserliche Truppen vorgingen.

Ein weiteres Wappen der von Bibra ist am mittig angeordneten Turm der Westseite angebracht (beide Abb. oben), neben dem der heutige Hauptzugang zur Burg liegt. Dieser unter dem obersten Fenster zu sehende Wappenstein entstand anläßlich einer Renovierung im 19. Jh. und ist wie folgt beschriftet: "Gebr(üder): Otto, Alfred, Willibald. Freiherrn von Bibra. 1843. Maurerm(ei)st(e)r: G. Wachs. Zimmerm(ei)st(e)r: B. Schon".

Nachdem der letzte Bewohner, Otto von Bibra, 1963 verstorben war, wurde die Burg 28 Jahre lang nicht bewohnt und nur treuhänderisch verwaltet. Neues Leben zog wieder in die alten Mauern ein, nachdem nach aufwendiger Restaurierung und Renovierung (für die der Eigentümer 2002 den Thüringer Denkmalschutzpreis erhielt) im Westbau ein christliches Seminarhaus eingerichtet wurde, das seit 1998 besteht und ein vielfältiges Seminarprogramm auf christlicher Basis an diesem Ort des Rückzugs anbietet. Getragen wird das Seminarhaus vom gemeinnützigen Verein für Erwachsenenbildung Burg Bibra e. V. Nach Elisabeth von Bibra, die die Burg seit 1994 leitete, ist die Verantwortung für die Burg und den gemeinnützigen Verein auf ihren Sohn Jörg von Bibra übergegangen. Dessen Tochter Larissa und ihr Mann Titus Böttger leben als Verwalter auf der Burg Bibra, so daß sie wieder permanent bewohnt wird.

Literatur, Links und Quellen:
Michael Köhler: Thüringer Burgen und befestigte vor- und frühgeschichtliche Wohnplätze, Jenzig, 3. Auflage 2010, ISBN-10: 391014196X, ISBN-13: 978-3910141964
Genealogie von Bibra:
http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/4/4a/BibraskeltonGerman1.jpg
Wilhelm Frhr. von Bibra, Beiträge zur Familiengeschichte der Reichsfreiherrn von Bibra, München 1870
http://books.google.de/books?id=6KpAAAAAcAAJ
Wilhelm Frhr. von Bibra, Beiträge zur Familiengeschichte der Reichsfreiherrn von Bibra: 1. Teil
https://katalog.ulb.hhu.de/Record/002322036 - http://digital.ub.uni-duesseldorf.de/urn/urn:nbn:de:hbz:061:1-13284 - 2. Teil: https://katalog.ulb.hhu.de/Record/002322037 - http://digital.ub.uni-duesseldorf.de/urn/urn:nbn:de:hbz:061:1-13345 - 3. Teil: https://katalog.ulb.hhu.de/Record/002322038 - http://digital.ub.uni-duesseldorf.de/urn/urn:nbn:de:hbz:061:1-13351
von Bibra:
https://de.wikipedia.org/wiki/Bibra_(Adelsgeschlecht)
Ort Bibra:
https://de.wikipedia.org/wiki/Bibra_(Grabfeld)
Burg Bibra:
https://de.wikipedia.org/wiki/Burg_Bibra
Burg Bibra e. V.
http://www.burg-bibra.de/de/Startseite
Broschüre des Burg Bibra e. V.
Otto Freiherr von Bibra: Das Kastell Bibra, Beitrag zur Klärung der Geschichte von Bibra, 2010, 129 S., ISBN 978-3-940295-12-5
Thomas Bienert: Mittelalterliche Burgen in Thüringen, Wartberg-Verlag, Gudensberg-Gleichen, 2000, ISBN-10: 3861346311, ISBN-13: 978-3861346319

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