Bernhard
Peter
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Photos schöner alter Wappen Nr. 2432
Bad Ems (Rhein-Lahn-Kreis)
Das sog. Mainzer Haus in Bad Ems
Das sog. Mainzer Haus steht in der Mainzer Straße und wurde 1694-1696 errichtet. Bauherr war der Mainzer Kurfürst Anselm Franz von Ingelheim, der sich hier ein eigenes Logier- und Badehaus für seine Kuraufenthalte hinstellen ließ. Das Haus ist damit das älteste noch erhaltene Profangebäude in Bad Ems. Die blühende barocke Badekultur der Stadt wird durch dieses Haus, das Oranien-Nassauische Kurhaus und die Spießer Kapelle Maria Königin repräsentiert. Das Haus steht auf der südlichen Lahnseite, die damals kurmainzisch war, denn der Stadtteil Spieß gehörte damals zur Gemarkung Oberlahnstein, noch nicht zu Bad Ems. Die bauzeitliche Besiedlung dieses Lahnufers war dünn, außer dem Mainzer Haus, der katholischen Kirche und dem Pfarrhaus stand hier nicht viel. Erst in der zweiten Hälfte des 19. Jh. wurde das Areal besiedelt und bebaut.
Etliche spätere Veränderungen haben dem Haus, das nach Ende der geistlichen Fürstentümer zeitweise als Gastwirtschaft mit Brauerei diente, sein heutiges spätklassizistisches Gesicht gegeben. 1857 ging das Haus an Dr. Anton Busch und wurde unter ersten Umbauten zur Arztpraxis. 1904 kam das Haus an den Sanitätsrat Dr. Ferdinand Stemmler, der es zu einer neobarocken Villa umbaute, mit gartenseitig umlaufenden Balkonen auf Säulen. Bis 2014 hatte der Geschichtsverein Bad Ems Räumlichkeiten in dem Haus und widmete sich ehrenamtlich der Erhaltung und Restaurierung, ein Kampf gegen die Windmühlenflügel des Verfalls. 2011 ging das Haus aus dem Besitz von Edith Keller an Anja Borsch-Lotz, die das Haus bis 2015 grundlegend renovierte und in ein Mietshaus umwandelte; dabei wurde u. a. das komplette Dach erneuert und das Haus entkernt.
Das Haus hat insofern historische Bedeutung, als hier 1786 der Emser Kongreß stattfand. Es ging dabei um das Machtverhältnis zwischen der päpstlichen Kurie und den Erzbischöfen des Reiches (Hieronymus von Colloredo für Salzburg, Clemens Wenzeslaus von Sachsen für Kurtrier, Maximilian Franz von Österreich für Kurköln und Friedrich Karl Joseph von Erthal für Kurmainz), die als Reichsfürsten die Macht der Kurie eindämmen wollten. Neben den genannten Landesherren war noch der Bischof von Freising dabei. Insbesondere sollte die bischöfliche Gewalt unabhängig von der päpstlichen Gewalt sein, da die Bischöfe ihre judikative Gewalt ebenso von Gott bekommen hätten wie der Papst die seinige. Auslöser war, daß ein päpstlicher Nuntius in München die gesamte geistliche Gerichtsbarkeit für sich einforderte, was für die Reichsfürsten unannehmbar war. Vier Wochen lang berieten die Fürsten, bis sie die Emser Punktation verabschiedeten. Letztendlich ist aber gar nichts passiert, weil die teilnehmenden Fürsten sich nicht einigen konnten und den Kaiser die Sache nicht weiter interessierte. Somit blieb es bei einer Forderung, die zu den Akten geheftet wurde, und einem päpstlichen Verweis für die Erzbischöfe 1789, mit dem man das gleiche machte. Jedenfalls ist der Versuch der Emanzipation gegenüber Rom gescheitert.
Über dem mittleren Fenster des Standerkers im Erdgeschoß ist ein Wappen des Bauherrn angebracht, des Mainzer Kurfürsten Anselm Franz von Ingelheim (regierte 1679-1695), seit 1680 Reichsfreiherr. Sein Wappen ist - bei korrekter Wiedergabe - geviert, Feld 1 und 4: in Rot ein silbernes, sechsspeichiges Rad, Erzstift Mainz, Feld 2 und 3: in Schwarz ein rot-golden geschachtes, durchgehendes Kreuz, Stammwappen der von Ingelheim. Dazu findet man hier wie fast immer den Kurhut sowie das gestürzte Schwert und den Krummstab hinter dem Schild schräggekreuzt.
Was wir freilich hier wirklich sehen, ist eine durch und durch falsche und mißverstandene Farbfassung. Falsch ist: 1.) Das Kreuz ist hier kunterbunt durcheinander in mehreren Tönen gewürfelt, muß aber regelmäßig rot-golden geschacht sein. 2.) Es wurde in Feld 2 nicht erkannt, daß der Kreuzarm zum Rand hin weitergehen muß. 3.) Das Mainzer Rad muß silbern sein, nicht golden. 4.) Es wurde nicht erkannt, daß unter dem Mainzer Rad ein geschlossenes, durchgehend rotes Feld liegt, sondern hier hat eine völlig sinnlose Abtrennung eines Hauptes bzw. eines Fußes stattgefunden. 5.) Es ist noch nicht bis zum Anstreicher vorgedrungen, daß Rosa keine heraldische Tinktur darstellt. 6.) Der Griff eines Schwertes darf golden sein, aber für die Klinge war das Material Gold wenig tauglich. 7.) Ein Kurhut ist mit Hermelin aufgeschlagen, nicht mit Gegenhermelin. Möge sich der nächste Anstreicher einmal die Anregung zur Verbesserung unten anschauen, Photoshop macht es möglich.
Literatur,
Links und Quellen:
Paul Georg Custodis: Bad Ems,
Rheinische Kunststätten, hrsg. vom Rheinischen Verein für
Denkmalpflege und Landschaftsschutz, Heft 6/1975, S. 11-12
Geschichtsverein Bad Ems: www.geschichtsverein-bad-ems.de/MainzerHaus.pdf
Emser Kongreß: https://de.wikipedia.org/wiki/Emser_Punktation
Emser Kongreß: http://www.zeno.org/Meyers-1905/A/Emser+Kongre%C3%9F
Ernst Münch: Geschichte des Emser Kongresses und seiner
Punktate, so wie der damit zusammenhängenden Nuntiatur- und
Dispens-Streitigkeiten, Reformen und Fortschritte der teutschen
katholischen Kirche zu Ende des achtzehnten Jahrhunderts, Müller
Verlag, Karlsruhe 1840.
Heinrich Aloys Arnoldi, Matthias Höhler: Tagbuch über die zu
Ems gehaltenen Zusammenkunft der vier Erzbischöflichen deutschen
Herrn Deputirten, die Beschwerde der deutschen Natzion gegen den
Römischen Stuhl und sonstige geistliche Gerechtsame betr. 1786,
Kirchheim, Mainz 1915.
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