Bernhard
Peter
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Photos schöner alter Wappen Nr. 2683
Braunschweig (Niedersachsen)
Huneborstelsches Haus am Braunschweiger Burgplatz (Gildehaus)
Das Huneborstelsche Haus ist das rechte der beiden historischen Fachwerkhäuser auf der Nordseite des Burgplatzes (Burgplatz 2a). Wie man an den Fenstern sieht, war es im unteren Teil als Wohnhaus gedacht, im oberen Teil als Lagerhaus. Im Gegensatz zu seinem linken Nachbarn steht es nicht am ursprünglichen Standort, sondern wurde 1900-1901 abgebrochen und 1901-1902 hierhin versetzt, um eine dort klaffende Baulücke zu schließen. Es ist auch nicht mehr vollständig original, aber es bewahrt mit der oberen Fassadenhälfte und dem Dachstuhl die originale Substanz eines historischen Hauses in angepaßtem Kontext. Es war ein 1524-1528 erbautes Patrizierhaus, welches sich früher im Sack 5 befand (dort steht heute der "City Point"). Das Haus war zuletzt 1861 für die Tausendjahrfeier Braunschweigs renoviert worden. Schon 1899 trug sich der Besitzer mit dem Gedanken, es abbrechen zu lassen, weil es inmitten der inzwischen moderneren Bebauung des Sacks wie ein aus der Zeit gefallener Fremdkörper wirkte, es war eines der wenigen Grundstücke im Sack, die noch nicht von der großen Umbauwelle des 18. und 19. Jh. erfaßt worden war. Weil die Nachbarn zügig modernisierten, war das Haus bald von historistischen Bauten umgeben. Zum Glück war das Gebäude bereits als Baudenkmal eingestuft, so daß die Stadt, wenn sie den Abbruch schon nicht verhindern konnte, doch durch Aufkauf rettend eingreifen konnte. Doch war die Stadt damals zu klamm, um das ganze Haus zu kaufen, deshalb erwarb sie nur die geschnitzten Fassadenteile der beiden Speichergeschosse und den kompletten Dachstuhl.
Das traufständige Haus ist dreigeschossig mit Zwischengeschoß. Das Fachwerkhaus besitzt ein hohes Dach mit Windelukenerker. Die beiden Speichergeschosse sind besonders reich verziert, und diese Teile sind bis auf acht nachgeschnitzte Knaggen original. Neu hingegen, also 1902 geschaffen, sind der gesamte anderthalbgeschossige Unterbau und der geschnitzte Portalbogen rund um die Einfahrt, und auch die darüber angebrachte Inschrift stammt aus dieser Zeit: "Friedrich Huneborstels Haus . im Sacke / erbaut A(nn)o 1536 auf geheiß der stadtbehoerden / aus dem abbruch hier wieder erstanden A(nn)o 1902". Diese Einfahrt ist eine freie Rekonstruktion; als Vorbild diente das Haus Ölschlägern 40 (kriegszerstört). Der Neubau wurde unter der Leitung von Stadtbaurat Ludwig Winter und vom Architekten Otto Rasche errichtet und ist das älteste Beispiel der in Braunschweig konzipierten Traditionsinseln, wo erhaltene historische Bausubstanz neu kombiniert wird, um das Erhaltene an einigen Stellen zu sammeln, ungeachtet des früheren originalen Standortes. Diesen Begriff prägte man allerdings erst nach 1945, als man in großem Umfang neu kombinierte, was noch gerettet werden konnte. Hinten ist das Haus massiv, aber der ganze Neubau ist so konzipiert, daß man die alte Fassade vorne befestigen konnte. Die Balken des Erdgeschosses wurden anderen Fachwerkhäusern der Stadt nachempfunden, weil hier die originale Substanz fehlte. Die alte Fassade konnte die Baulücke nicht zur Gänze schließen, denn sie war schmäler als das Grundstück. Deshalb wurde rechts daneben ein einachsiger Lückenfüller eingebaut, massiv mit Fachwerkaufsatz, mit Vorhangbögen wie bei der ehemaligen Kemenate in der Turnierstraße 8 (kriegszerstört).
Eine zweite, früher 1890-1901 auf fünf der neun Füllbretter unterhalb des zweiten Speichergeschosses sichtbare und danach nicht wiederhergestellte Inschrift in gotischen Minuskeln lautete: "Ick ape sta vn gape de wyle ick maeth staen machstu wyder ghaen" - ich Affe stehe und gaffe, während ich stehen bleiben muß, machts du Dich auf zum Weitergehen. Die Inschrift nimmt Bezug auf die Darstellungen am Haus, wo im Schnitzwerk Affe und Esel mit Blasinstrumenten, Spiegeln oder Brillen als Sinnbilder törichten Verhaltens dargestellt werden. Ansonsten wird die Fassade überreich mit phantasievollen menschlichen Figuren, spielenden Putten, Dämonenfratzen, Personifikationen der Planeten und antiker Götter, Drolerien, Bürger in typischen Trachten, Fabel- und Mischwesen, Allegorien, pflanzlichen Ornamenten, Blatt- und Fruchtgirlanden und stilisierten Delphinen bevölkert. Das gesamte konstruktive Holzgerüst bis auf die Balkenköpfe und die Füllbretter ist mit diesen figürlichen Flachschnitzereien bis an den Brüstungsbereich der Speicherfenster überzogen. Das Simon Stappen zugeschriebene Schnitzwerk ist im Übergangsstil zwischen Spätgotik und Renaissance ausgeführt.
Aber der heutige Bau ist auch nicht mehr der von 1902, sondern 1944, als schon erste Bombenschäden zu verzeichnen waren, wurden alle Schnitzereien abmontiert und in die Domäne Hessen am Fallstein ausgelagert, und erst 1956 wurde das Haus in der jetzigen Form wieder aufgebaut, sein zweiter Wiederaufbau. Acht Knaggen mußten nach fotografischen Aufnahmen nachgeschnitzt werden, weil sie 1955 fehlten.
Bauherr des ursprünglichen Hauses war Friedrich Huneborstel, Krämer und Ratsherr, im Stadtteil Sack auch Gerichtsherr und Kämmerer. Das Huneborstelsche Haus wird auch Gildehaus genannt, seit die Handwerkskammer Braunschweig-Lüneburg-Stade das Gebäude nutzt, zusammen mit dem Nachbarhaus. Beide Häuser haben hinten einen gemeinsamen Hof, um den sich Hinterhäuser gruppieren. Diese sind teils massiv, teils aus originalen Fachwerkresten aus dem 16. Jh. erbaut worden. Der Kontext ist nicht original, simuliert aber eine typische Hofsituation solcher Stadthäuser.
An der Fassade sind jeweils ganz außen oberhalb des ersten Speichergeschosses zwei Wappen angebracht, optisch links das von Friedrich Huneborstel (in der gegenwärtigen Farbfassung: in Gold drei schwarze Schwerter, sich im Dreipaß überkreuzend, die Griffe 1:2, die Klingenspitzen 2:1, in der Mitte überdeckt von einer roten doppellagigen Rose, auf dem bewulsteten Helm die Schildfiguren, ein widersehender Löwe als Schildhalter optisch rechts daneben), optisch rechts das seiner Ehefrau, Anna Grove (nur Schild mit einem nicht identifizierbaren Motiv, ein wilder Mann rechts daneben als Schildhalter). Beide Wappen sind nicht in den einschlägigen Sammlungen (Siebmacher, Rietstap) enthalten, Literaturnachweise willkommen.
Details der Fassade
Literatur,
Links und Quellen:
Position in Google
Maps: https://www.google.de/maps/@52.265077,10.5233197,18z - https://www.google.de/maps/@52.2650105,10.5232807,46m/data=!3m1!1e3
Burgplatz Braunschweig auf Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Burgplatz_(Braunschweig)
Huneborstelsches Haus: https://www.braunschweig.de/tourismus/ueber-braunschweig/sehenswuerdigkeiten/_huneborstelsches_haus.php - https://www.braunschweig.de/tourismus/ueber-braunschweig/sehenswuerdigkeiten/blik/kulturdenkmaeler/huneborstelsches_haus.php
Huneborstelsches Haus auf Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Huneborstelsches_Haus
Deutsche Inschriften 35, Stadt Braunschweig I, Nr. 409
(Andrea Boockmann), in: www.inschriften.net, urn: nbn:de:0238-di035g005k0040905 - http://www.inschriften.net/braunschweig-bis-1528/inschrift/nr/di035-0409.html#content
Gerd Spies: Das Gildehaus in Braunschweig - der Fachwerkbau des
Patriziers F. Huneborstel, Braunschweig 1983, ISBN 3-87884-022-3
Huneborstelsches Haus: City-sam Braunschweig: http://www.braunschweig.citysam.de/huneborstelsches-haus.htm
Deutsche Stiftung Denkmalschutz: https://www.denkmalschutz.de/denkmal/veltheimsches-haus.html
Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland, Baudenkmale in
Niedersachsen, Stadt Braunschweig, Teil 1, Bd. 1.1, bearbeitet
von Wolfgang Kimpflinger, hrsg, von Christiane Segers-Glocke,
Niedersächsisches Landesverwaltungsamt, Veröffentlichung des
Instituts für Denkmalpflege, Verlag C. W. Niemeyer, Hameln,
1993, ISBN 3-87585-252-4, S. 50 ff., insbes. S. 65-67
Hinweistafel am Haus
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