Bernhard
Peter, Gernot Ramsauer
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Photos schöner alter Wappen Nr. 2802
Brixen (Bressanone, Südtirol, Italien)
Die Pfarrkirche St. Michael in Brixen (Parrocchiale di S. Michele Arcangelo)
Die Pfarrkirche zum hl. Erzengel Michael (Parrocchiale di S. Michele Arcangelo) liegt nördlich des Brixener Domes am Pfarrplatz zwischen Domplatz, Weißenturmgasse und Albuingasse und ist durch den alten städtischen Friedhof vom Dom getrennt. Ursprünglich handelte es sich um eine Friedhofskirche, die sich dann zur Bürgerkirche entwickelte. Bischof Bruno stattete die Kirche mit allen geistlichen und weltlichen Rechten aus und unterstellte sie zur Gänze dem Domkapitel. So stehen parallel nebeneinander der Dom als Bischofskirche und St. Michael als Pfarrkirche der Brixener Bürgerschaft.
St. Michael wurde von Bischof Hartwig (-31.1.1039) erbaut und im Jahr 1038 eingeweiht. Den damaligen Bau muß man sich im ottonischen Stil mit schlichtem, rechteckigem Grundriß und mit runder Apsis an der Ostseite vorstellen. Aus dieser Zeit stammt das Patrozinium, denn der Erzengel Michael war seit der siegreichen Schlacht gegen die Ungarn auf dem Lechfeld 955 Schutzpatron des Reiches, weil die Truppen des Kaisers Otto I. unter einem Banner des hl. Michael gekämpft hatten. Der älteste Teil der heutigen Kirche ist der aus der Mitte des 15. Jh. stammende gotische Chor mit polygonalem Abschluß. Das Langhaus entstand um 1500 als spätgotische Hallenkirche. Der Neubau wurde 1503 geweiht. Der Kirchturm ("Weißer Turm") stammt im unteren Teil aus der Zeit um 1300, oben der Teil mit den kleinen Erkern über den Spitzbogenschallfenstern und dem gemauerten Spitzhelm aus dem Jahr 1459. Innen prägt der Barock das Aussehen und die um 1750-1758 entstandene Innenausstattung. Der Wiener Künstler und spätere Hofkammermaler und Professor Joseph Hautzinger (12.5.1728-8.8.1786), der bereits an der Ausmalung des Domes beteiligt gewesen war, malte die Deckenfresken von St. Michael im Jahr 1757. Der Jesuit Andrea Pozzo (30.11.1642-31.8.1709) aus Trient malte das Altarblatt des Hochaltars mit der Darstellung des hl. Michaels im Kampf gegen Luzifer. Johann Perger fertigte die Engelsfiguren neben dem Altar an. Die Orgel stammt aus dem Jahr 1740. Der kreuztragende Christus mit Simon von Cyrene am linken Seitenaltar ist eine Arbeit des 15. Jh.
An der Kirche gibt es zwei Wappensteine. Der ältere ist seitlich rechts des Eingangs am einstöckigen Vorbau zu finden, ist auf das Jahr 1494 datiert und besteht aus zwei Schilden. Der heraldisch rechte Schild trägt das gewendete Wappen des Hochstifts Brixen, der linke zeigt das Familienwappen von Meckau, in Rot drei (2:1) goldene Wurfschaufeln oder Mehlschaufeln. Die hier nicht dargestellte Helmzier wäre eine aufrechte, goldene Wurfschaufel, oben mit einem Pfauenstoß besteckt, die Helmdecken wären rot-golden. Dieser Wappenstein gehört zu dem Brixener Fürstbischof Melchior von Meckau (Melchiore di Meckau), er lebte ca. 1440-3.3.1509 und amtierte 1488-1509. Er war ein Sproß eines Meißener Ministerialengeschlechts, war 1458 zum Studium in Leipzig, 1459 zum Studium in Bologna, hatte 1463-1486 diverse Ämter in Rom inne, wurde päpstlicher Familiar und Mitglied der Anima-Bruderschaft. Vor 1470 wurde er Inhaber einer Domkustodie von Naumburg, 1470 dann wurde er Mitglied des Domkapitels von Brixen, 1471 bekam er ein Domkanonikat in Meißen, und 1474 wurde er Mitglied im Domkapitel von Freising, und schließlich 1477 bekam er die Propstei am Kollegiatstift Zeitz. 1479 übernahm er das Amt des Dompropstes in Magdeburg, 1482 wurde er auch Dompropst in Meißen, und im selben Jahr gelang die entscheidende Weichenstellung für die Zukunft, indem er Koadjutor von Georg Golser wurde, dem damaligen Bischof von Brixen, dessen Nachfolge Melchior von Meckau dann schließlich 1488 antrat. Er war damit der erste Humanist auf dem Brixener Bischofsstuhl. 1489 wurde er auch noch Mitglied im Domkapitel von Passau, und ab 1497/98 war er Präsident der kaiserlichen Hofkammer. Schließlich wurde er, Krönung seiner geistlichen Laufbahn, im Jahr 1503 Kardinal, was seitens Alexanders VI. (1492-1503) ein Dank für die stete und erhebliche finanzielle Unterstützung des Kaisers war. Am 3.3.1509 verstarb er in Rom, die Beisetzung erfolgte in der Kirche Santa Maria in Ara Coeli auf dem Kapitol. Die meißnische und merseburgische Familie ist im 16. Jh. im Meißnischen erloschen, die damit in Verbindung gebrachten österreichischen von Meggau sind 1644 im Mannesstamm erloschen. Das Wappen dieses Bischofs begegnet uns auch in Klausen am Zollhaus und in Meißen an einer Kurie in der Nähe des Domes.
Der jüngere Wappenstein ist über dem Oberlicht des Barockportals angebracht und trägt das gewendete Wappen des Hochstifts Brixen, in Rot ein golden nimbiertes, widersehendes, silbernes Agnus Dei (Gotteslamm), das mit dem rechten Vorderbein ein silbernes Banner (Osterfahne) mit rotem Kreuz an silberner Querstange schultert. Das Agnus-Dei-Wappen wird dem geistlichen Bistum Brixen zugeordnet. Auf das Adlerwappen wird hier verzichtet. Das zeigt an, daß St. Michael zwar seit dem 13. Jh. eine eigenständige Pfarrkirche war, aber die bischöfliche Vorherrschaft in geistlichen Dingen nach wie vor bestand.
Gernot
Ramsauer:
Exkurs: Das Erbe von Melchior von Meckau
Das Verhältnis zwischen Fürstbischof Melchior von Meckau und den Klerikern seines Hochstifts Brixen war nicht unproblematisch. Bei jedem seiner häufigen Rombesuche verschwand alles Wertvolle, was nicht gerade niet- und nagelfest war und versickerte in undurchsichtigen Kanälen. Niemand wußte, daß alles Geld aus Brixen in die aufstrebende Firma Fugger aus Augsburg floß, die eine hervorragende Rendite versprach. Schließlich betrug die Einlage von Meckaus rund 300 000 Gulden (heute ein Betrag von mindestens 20 Millionen Euro) und war damit fast doppelt so hoch wie das Eigenkapital der Gebrüder Fugger.
Als im Februar 1509 die Nachricht in Augsburg eintraf, dass Melchior von Meckau in Rom im Sterben läge, war die Aufregung bei den Fuggern groß. Sollte ein Erbe die Auszahlung fordern, würde ein derart großer Kapitalabfluß den Bankrott der Firma bedeuten. Die Hoffnung, die Einlage würde sich, zumindest vorübergehend, verheimlichen lassen, erfüllte sich leider nicht: In den Ärmeln von Meckaus fanden sich die Einzahlungsbelege seines Kapitals. Kurz vor seinem Tod hatte von Meckau in einem Testament das Deutsche Nationalhospiz Sankt Anima in Rom als Universalerben eingesetzt, allerdings in Anbetracht der Höhe der Erbschaft bestimmte Papst Julius II., daß das Hospiz eine solchen Betrag unmöglich erben könne und das Geld an die katholische Kirche, also an den Vatikan zu fallen habe.
Nun war guter Rat teuer. Der Papst würde sich nicht so leicht wie irgendwelche Ordensbrüder übervorteilen oder hinhalten lassen. Also zündete Jakob Fugger erst einmal Nebelkerzen: Es gäbe weitere Testamente und Erbansprüche, die geklärt werden müssten. Gleichzeitig aktivierte er seine Beziehungen zum Habsburger Kaiser Maximilian. Dieser, um seine scheinbar unerschöpfliche Augsburger Kreditquelle fürchtend, untersagte wegen der unklaren Sachlage jegliche Auszahlung, und überhaupt wäre der Brixener Bischof ein Fürst des Heiligen Römischen Reichs, und dieses, sprich er, wäre der rechtmäßige Erbe. Mittlerweile war auf unerklärliche Weise das Originaltestament spurlos verschwunden und in der einzig verfügbaren Abschrift war plötzlich von ganz anderen Summen die Rede. Papst Julius ahnte, daß es wohl sehr kompliziert werden würde, von den Fuggern das Geld loszueisen, verzichtete gegen eine Zahlung von gut 36 000 Gulden (Schwarzgeld, ohne Quittung, zur persönlichen Verfügung) auf einen Großteil des Erbes und trat den Rest von vielleicht 100 000 Gulden an den Kaiser ab.
Jedoch auch Kaiser Maximilian sollte sich nicht an einer größeren Erbschaft erfreuen können. Einen Teil verrechnete Fugger mit vorangegangen Forderungen, für einen anderen lieferte die Textilabteilung des Fuggerkonzerns einen Restposten Uniformtuch für Maximilians Venedigkrieg. Und schließlich kam Jakob Fugger mit dem Argument, das Vermögen müsse schließlich in der Kirche bleiben (sic!) und an von Meckaus Nachfolger auf dem Brixener Bischofsstuhl gehen. Dank kräftiger Bestechungsgelder an maßgebliche kaiserliche Räte setzte er sich damit tatsächlich durch. Der neue Fürstbischof Christoph von Schrofenstein sah allerdings auch kein Geld, sondern bekam die Auflage, daß das ererbte Kapital, dessen Buchwert bei Gelegenheit kräftig nach unten korrigiert worden war, in der Firma Fugger stehen zu lassen sei. Das Erbe von Meckaus blieb also bei den Fuggern, sorgte mit für deren Aufstieg zum größten Finanzkonzern der frühen Neuzeit, während das Hochstift Brixen weiterhin so gut wie pleite war.
Literatur,
Links und Quellen:
Lokalisierung auf Google Maps:
https://www.google.de/maps/@46.7161831,11.6576694,20z - https://www.google.de/maps/@46.7162967,11.6572386,48m/data=!3m1!1e3
St. Michael in Brixen: https://de.wikipedia.org/wiki/Pfarrkirche_St._Michael_(Brixen) - https://it.wikipedia.org/wiki/Chiesa_di_San_Michele_(Bressanone)
St. Michael in Brixen: https://www.provinz.bz.it/kunst-kultur/denkmalpflege/monumentbrowser-suche.asp?status=detail&id=14186
Pfarrei Brixen: https://pfarrei-brixen.it/index.php/category/pfarrkirche/
St. Michael in Brixen: https://www.hiwio.com/de/Artikel/Die-Pfarrkirche-in-Brixen-91
Karl Gruber: Pfarrkirche St. Michael Brixen, Lana 1987
Rainald Becker, Melchior (Copis) von Meckau (Meck, Meggau, Mekow,
Mechuw, Mectow), in: Sächsische Biografie, hrsg. vom
Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde e.V., bearb.
von Martina Schattkowsky, Online-Ausgabe: https://saebi.isgv.de/biografie/Melchior_von_Meckau_(um_1440-1509)
Hermann Kellenbenz, Melchior v. Meckau (Meggau), in: Neue
Deutsche Biographie, Band 17, Duncker & Humblot, Berlin
1994, ISBN 3-428-00198-2, S. 7 f., online: https://www.deutsche-biographie.de/sfz61381.html
Günter Ogger: Kauf dir einen Kaiser, die Geschichte der Fugger,
Droemer Knaur Verlag München Zürich 1978, S. 133-140
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