Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 2821
Menningen (zu Meßkirch, Landkreis Sigmaringen)

Die katholische Pfarrkirche St. Johannes d. T. in Menningen

In der katholischen Pfarrkirche St. Johannes d. T. in Menningen hängen zwei Totenschilde von herausragender Schönheit, der eine ist für Michael Gremlich von Jungingen (-10.6.1631), der andere für Johann (Hans) Gremlich von Jungingen (-22.6.1664). Die Familie der Gremlich ist in der Reichsstadt Pfullendorf verwurzelt, zählt dort zu den ältesten nachweisbaren Geschlechtern, und ihre Mitglieder prägten die Stadtgeschichte als Stadt-Ammänner, dann als Bürgermeister, weiterhin als Notare und Richter. Menningen war ein von den Herren und späteren Grafen von Zimmern und nach deren Erlöschen 1594 von den Grafen von Helfenstein-Gundelfingen und danach ab 1627 vom Haus Fürstenberg vergebenes Lehen. Dieses Lehen hatten die Gremlich bzw. Gremlich von Jungingen 1391 käuflich von ihren Vorgängern erworben. Die Gremlich blieben die ganze Zeit im Besitz des Lehens Menningen, auch wenn der Lehensherr wechselte. Die Familie hatte außerdem noch Besitz in Zußdorf, Sandegg, Krauchenwies, Hasenweiler, Einhart, Hausen am Andelsbach, Bittelschieß und Heiligkreuztal und in weiteren Orten. Nach dem Aussterben der Gremlich fiel das Lehen heim an die von Fürstenberg und wurde in die Herrschaft Meßkirch integriert. Menningen war kirchlich früher eine Filiale von Meßkirch, wurde aber 1632 dank einer Stiftung von Hans Gremlich eigenständige Pfarrei. Heute ist Menningen Teil der Seelsorgeeinheit Meßkirch-Sauldorf und wird von Meßkirch aus betreut. Die Kirche selbst ist barock und ein Werk des Meßkircher Hofbaumeisters Johann Georg Brix. Da sie 1725 erbaut wurde, stammen die beiden Totenschilde noch aus dem Vorgängerbau und wurden in die neue Kirche übernommen.

Das Wappen der  Familie Gremlich ist geviert, Feld 1 und 4: silbern-blau geviert (Jungingen), Feld 2 und 3: in Silber ein aufspringender schwarzer Steinbock (Gremlich), auf dem eigentlich blau-silbern bewulsteten Helm mit blau-silbernen Decken der schwarze Steinbock wachsend (Gremlich) zwischen einem blau-silbern geschachten Paar Büffelhörner (Variation Jungingen). Bei beiden Totenschilden sind nicht nur die Steinböcke in Schild und Kleinod linksgewendet, sondern auch der Schild insgesamt. Denn es handelt sich bei den Feldern 2 und 3 um das eigentliche Gremlich-Wappen, das Stammwappen der Familie, das vorrangige Symbol, zu dem auch die Helmzier gehört. Die Felder 2 und 3 stehen für Jungingen. Die Herren von Jungingen führten ihren Schild silbern-blau geviert, ohne die goldenen Schrägbalken, die hier als Artefakt zu sehen sind, vermutlich Ergebnis einer fehlerhaften Restaurierung - sie sind jedenfalls unbegründet und ohne Daseinsberechtigung. Die beiden Brüder Johann Jacob und Johann Wolfgang Gremlich hatten von Kaiser Karl V. zu Worms per Diplom vom 25.4.1521 Namen und Wappen der Ende des 16. Jh. erloschenen Herren von Jungingen als Wappenvermehrung verliehen bekommen; die Grundlage dafür bildete eine entsprechende Erbheirat. Die Schlüsselehe für den Übergang von Namen und Wappen war die zwischen Wilhelm Gremlich zu Hasenweiler und einer Erbtochter von Jungingen. Die oben genannten Begünstigten waren Kinder des oben genannten Wilhelm. Das Wappen wird beschrieben im Siebmacher Band: WüA Seite: 6 Tafel: 13, auch dort kommen die Schrägbalken nicht vor. Die dort angegebene Reihenfolge der Felder entspricht dem klassischen Schema, Stammwappen Gremlich in den Feldern 1 und 4, Vermehrung Jungingen in den Feldern 2 und 3.

 

Das Kleinod wird im Siebmacher etwas anders beschrieben, der wachsende schwarze Steinbock zwischen zwei silbern-blau übereck geteilten Büffelhörnern, die außen mit je vier Pfauenfedern besteckt sind, die obersten in den Mundlöchern, Decken rechts blau-silbern, links schwarz-silbern. Dem folgt auch die Darstellung im Alberti, S. 244. Eine andere Variante ist im Hofwappenbuch des Herzogs Ferdinand von Bayern aufgeführt, der schwarze Bock wachsend zwischen zwei außen mit grünen Pfauenfedern besteckten Büffelhörnern, das rechte silbern-blau geteilt, das linke schwarz. In dieser Quelle wird das Jungingen-Feld blau-silbern geviert, also umgekehrt. Das originale Jungingen-Wappen trägt in der Darstellung im Münchener Kalender zu schwarz-silbernen Decken ein Paar Büffelhörner, das rechte schwarz und außen mit vier silbernen Hahnenfederbüscheln besteckt und das linke silbern und außen mit vier schwarzen Hahnenfederbüscheln besteckt. Ähnlich wird das Wappen im Berliner Wappenbuch dargestellt, wobei dort ein Federkamm gewählt ist. Im Scheiblerschen Wappenbuch sind es am silbernen Horn isolierte Federbüsche, am schwarzen Horn ein Federkamm, außerdem ist dort die Vierung blau-silbern. Andere Varianten haben silbern-blau übereck geteilte Büffelhörner. Die Beispiele illustrieren die Variationsbreite des originalen Jungingen-Wappens.

Die Umschrift des ersten Totenschildes (3 Abb. oben) lautet: "An(n)o 1631 den 10ten Tag Juni Morgen zwischen 3 und 4 Uhr starb der Wohl Edle und gestrenge Herr Michael Grömlich zu / Men(n)ingen liegend 69 Jahre alt dessen Ihm Gott gnädig u. barmherzig sein wolle Amen.". Dahinter kommt noch ein Renovierungsvermerk: "Renov. 1908 1940". Die Wappenfarben Schwarz, Blau und Silber werden auch für die wie ein Seil gedrehten Zierleisten verwendet, die die Inschrift innen und außen einfassen.

Die Umschrift des zweiten Totenschildes (1 Abb. oben, 2 Abb. unten) lautet: "An(n)o 1664 den 22ten Juni, Abends 8 Uhr starb d. Wohl Edle u. strenge Herr J. Grömlich v. Jungingen, zu Men(n)ingen liegend mitten unter / dem Bogen des Chores der letzte des Stam(m)es u. Namens, Gottes sei seiner armen Seele barmherzig Amen". Mit diesem erlosch die Familie Gremlich im Mannesstamm, auf ein Stürzen des Wappens wurde hier aber verzichtet. Stilistisch ist dieser Schild dem anderen ähnlich, mit der gleichen roten Hintergrundfarbe und den gleichen gedrehten Schnüren in den Wappenfarben, doch wird die Inschrift beiderseits durch je einen geteilten und fünfmal gespaltenen Beischild unterbrochen. Diese Beischilde werden typischerweise für Ehefrauen hinzugefügt, demnach müßte Johann Gremlich von Jungingen zweimal verheiratet gewesen sein. Die gleiche Bemalung beider Beischilde ist vermutlich ein Restaurierungsfehler. Das Motiv kann als fehlfarbenes Rosenberg-Wappen interpretiert werden; die korrekten Farben dieser fränkischen Familie wären Silber und Rot, nicht Blau und Rot wie hier; die Familie ist 1632 im Mannesstamm erloschen.

Es gibt zwar keine verläßliche Genealogie der Familie Gremlich, doch Kindler von Knobloch führt neben den Daten nach Bucelinus auch einen fragmentarischen Stammbaum aus dem Donaueschinger Archiv auf, wo die zu namensgleichen Personen gehörenden Fragmente zwar separat gelistet sind, für Johann d. J. Gremlich von Jungingen zu Menningen einmal eine Anna Maria von Rosenberg mit früherem Belegdatum und einmal eine Elisabeth von Breinigkofen (-1672) angegeben wird, wobei letztere ihn als Witwe überlebt hat. Wenn wir die beiden halben Informationen kombinieren, ergibt sich die Theorie einer von Rosenberg als erster und besagter Elisabeth von Breinigkofen als zweiter Ehefrau, passend zu den zwei Beischilden. Bei einer Restaurierung hat man wohl das Rosenberg-Wappen als Ornament mißverstanden und die andere Kartusche malerisch angeglichen, obwohl dort das Wappen der zweiten Frau zu erwarten gewesen wäre, deren Familie in Silber eine rote Spitze geführt hatte. Aber auch diese Ehen konnten nicht das Erlöschen der Familie verhindern. Nach besagter Stammtafel wäre weiterhin Michael ein Onkel von Johann Gremlich von Jungingen gewesen.

 

Ein bauplastisches Wappen der Gremlich von Jungingen ist weiterhin zu sehen in (Horgenzell-)Hasenweiler in der Nähe der Pfarrkirche Mariä Geburt, am Kirchhofstor links. Außerdem taucht ein solches Wappen auf als Teil einer Ahnenprobe am Epitaph des Friedrich Humpis (Hundbiß)von Waltrams in der Pfarr- und Wallfahrtskirche Mariä Geburt in Pfärrich (Gemeinde Amtzell). Menningen führt übrigens als Kommunalwappen den silbernen Schild mit dem schwarzen, rotgezungten Steinbock, aus dem Wappen der Gremlich entnommen.

Das gleiche Wappenpaar wie am Menninger Schloß (siehe dort) ist in der Kirche als Malerei in Stuckkartuschen der Decke angebracht; dort ist der Fürstenberger Adler korrekt mit dem aus Werdenberg und Heiligenberg gevierten Herzschild belegt, der am Schloß fehlt. Die Wappenkombination steht für Fürst Frobenius Ferdinand von Fürstenberg-Mößkirch (6.8.1664-4.4.1741), und seine Frau, Maria Theresia Felicitas Gräfin von Sulz (1671-26.3.1743), Beschreibung der Wappen und des genealogischen Kontextes siehe beim Schloß.

Literatur, Links und Quellen:
Lokalisierung auf Google Maps: https://www.google.de/maps/@48.0083412,9.1594799,20z - https://www.google.de/maps/@48.0083412,9.1594799,87m/data=!3m1!1e3
Seelsorgeeinheit Meßkirch-Sauldorf:
https://www.messkirch-sauldorf.de/ - Pfarrei Menningen: https://www.messkirch-sauldorf.de/ueber-uns/unsere-pfarreien/menningen-st-johannes-d-t/
Menningen auf Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Menningen_(Meßkirch)
Kurt Schrem: Die Gremlich zu Pfullendorf und im Umland, Gmeiner Verlag 2020,? 416 S., ISBN-10?: ? 383922702X, ISBN-13: ? 978-3839227022
Kindler von Knobloch, Julius (Bearb.) / Badische Historische Kommission (Hrsg.), Heidelberg, 1898, Oberbadisches Geschlechterbuch, Band 1
http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/kindlervonknobloch1898bd1 - insbesondere ab https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/kindlervonknobloch1898bd1/0464 bis https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/kindlervonknobloch1898bd1/0468 sowie https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/kindlervonknobloch1898bd1/0172 und https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/kindlervonknobloch1898bd1/0173
Veröffentlichung der Innenaufnahmen aus der Kirche mit freundlicher Genehmigung von Herrn Pfarrer Stefan Schmid, Dekan, vom 29.6..2021, wofür ihm an dieser Stelle herzlich gedankt sei.

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