Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 3065
Bregenz (Bundesland Vorarlberg, Österreich)

Der Ansitz Lößler in Bregenz

Wenn man die Bregenzer Oberstadt in Richtung Osten verläßt, kommt man ca. 250 m hinter dem einstigen Obertor zu einer rundbogigen Toreinfahrt, hinter der es nicht mehr weitergeht und an dem der Straßenverlauf nach Süden abknickt: Genau dort liegt innerhalb einer nur teilweise erhaltenen Umfassungsmauer der Ansitz Lößler (Mildenbergstraße 11). Er ist in Privatbesitz und nicht zu besichtigen. Es handelt sich um einen ehemaligen Lehenhof der Grafen von Montfort, der bereits 1390 den Namen "Losel" trug und als solcher im Burgfriedensvertrag zwischen Graf Hugo III. und Graf Wilhelm von Montfort erwähnt wurde. Michael Witweiler, Sohn von Lazarus Witweiler und wie sein Vater zuvor, der zusätzlich 1566 als Amtmann erwähnt wird, Land- und Gegenschreiber der beiden Herrschaften Bregenz und Hohenegg (erwähnt 1588 bis 1626), erwarb den Ansitz im Jahre 1590 und errichtete das Hauptgebäude zwischen 1596 und 1613 neu. Er erhielt am 23.9.1590 zu Innsbruck von Erzherzog Ferdinand einen Schutz- und Schirmbrief und die Befreiung seines vor den Toren der Stadt gelegenen "Gutes Lößler" und des zugehörigen Weinbergs von allen Steuern. Das Hauptgebäude ist ein dreigeschossiger Renaissancebau auf rechteckigem Grundriß mit einem erhöhten Kellergeschoß. Ein Satteldach schließt das Hauptgebäude oben ab. Der Haupteingang mit einem rundbogigen Portal mit Rustikaquaderung und Palmettengebälk liegt in der Mitte der Westseite, der Stadt zugewandt. Eine gerade Freitreppe überbrückt die Höhe des Kellergeschosses. Davor liegt ein kleiner, rechteckig angelegter formaler Garten, und ein Brunnen verschönert den Bereich vor dem Eingang.

An Michael Witweiler erinnert eine auf 1596 datierte Wappentafel auf der Nordseite des Ansitzes, über einer vermauerten Rundbogenöffnung in einem gefasten Sandsteinrahmen, dem ursprünglichen Kellerzugang. Michael Witweiler war zweimal verheiratet, hier ist sein Ehewappen mit Anna Margreth Schumaier dargestellt. Das Wappen Witweiler (Witweyler) zeigt in Silber eine oberhalbe schwarze Gemse, auf dem ungekrönten Helm mit schwarz-silbernen Decken die schwarze Gemse wachsend. Es geht zurück auf eine Verleihung durch Kaiser Sigmund (reg. 1411-1437) im Jahre 1434 (Fischnaler-Wappenkartei). Das Wappen Schumaier zeigt eine liegende Mondsichel, aus der innen eine Lilie hervorwächst, im Schildhaupt ein sechszackiger Stern, auf dem ungekrönten Helm eine liegende Mondsichel, zwei schräggekreuzte Glevenstäbe umschließend, alles überhöht von einem sechszackigen Stern (ohne Beleg, Literaturhinweise und Quellen zu diesem Wappen willkommen). Der Hintergrund der Tafel ist mit Beschlagwerk verziert. Die Inschrift im unteren Bereich der Tafel ist stark verwittert. Die Datierung ist auf dem unteren Rahmen der Wappenzone in römischen Zahlzeichen eingeschlagen: "ANNO D(OMI)NI MDLXXXXVI".

Michael Witweiler hatte in seiner Amtszeit eine besondere Aufgabe erhalten: Eine Neuerfassung und Neuverzeichnung der herrschaftlichen Rechte und Güter in den Herrschaften Bludenz und Sonnenberg war nötig geworden, also die Erstellung eines Urbars. Die Regierung in Innsbruck wählte für diese Aufgabe im Jahre 1608 zwei landesfürstliche Kommissare aus, den betagten Balthasar von Herliberg und "unseren" Michael Witweiler, der aufgrund des Alters seines Kollegen wohl die Hauptlast der Arbeit getragen haben dürfte. Man fing auch mit großem Elan die Arbeit an, doch die politischen Entwicklungen der Zeit bereiteten immer neue Verzögerungen durch notwendige Anpassungen, so daß man kaum hinterher kam und nie so recht fertig wurde und vom Hundertsten ins Tausendste kam. Erst David Pappus von Tratzberg übernahm im Herbst 1618 die Urbarerstellung, stand vor ähnlichen Schwierigkeiten und beendete die Arbeit auf Druck der Innsbrucker Regierung bis 1620, woraufhin Michael Witweiler in seiner Eigenschaft als Landschreiber in Bregenz die Reinschrift anfertigte.

Im Inneren gibt es im ersten Obergeschoß einen Ofen, der zwar aus dem 19. Jh. stammt, aber einen gußeisernen Feuerkasten von 1605 weiterverwendet, und auf dessen Vorderseite ist erneut das Wappen von Michael Witweiler angebracht, diesmal in Kombination mit den Wappen beider Ehefrauen. Zwischen 1596 und 1605 muß also der Tod der ersten Frau und die Wiederverheiratung stattgefunden haben. Ein weiteres Mal kann man die beiden Wappen beider Ehefrauen im Giebelfeld der im Nordosten des Haupthauses lokalisierten ehemaligen Hauskapelle finden, an deren Südfassade über dem rechteckig gefasten Sandsteinportal. Darunter befindet sich ein Inschriftenstein mit der Jahreszahl 1613. Der Ansitz wurde 1893-1894 umgebaut und erhielt zu jener Zeit sein heutiges Aussehen mit regelmäßig gesetzten Fensterachsen und rustizierter Eckquaderung. Das Gebäude wird heute als privates Wohnhaus genutzt.

Dr. iur. Hans Georg Witweiler (Wittweiler, Witweyler), Rat des Erzherzogs Leopold, war wie sein Vater Michael ebenfalls Landschreiber in den beiden Herrschaften Bregenz und Hohenegg (Dienstrevers 1627, erwähnt bis 1630). Er wurde am 9.3.1627 zu Innsbruck in den erzherzoglich-österreichischen Adelsstand mit dem Prädikat "von und zu Lesler/Lößler" erhoben, durfte sich also nach seinem Besitz vor den Toren der Stadt nennen (österreichisches Staatsarchiv AT-OeStA/AVA Adel HAA AR 1090.6, Tiroler Wappenbuch XIV, 148). Dabei bekam er als Wappenbesserung einen gekrönten Helm. In der Fischnaler-Wappenkartei wächst die Gemse des Kleinods zwischen einem silbernen Flug empor, von dem hier am Ansitz nichts zu sehen ist.

Literatur, Links und Quellen:
Lokalisierung auf Google Maps: https://www.google.de/maps/@47.4989169,9.7537679,21z - https://www.google.de/maps/@47.4988838,9.7537753,44m/data=!3m1!1e3
Ansitz Lößler in Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Ansitz_Lößler
Ansitz Lößler in Burgen-Austria:
http://www.burgen-austria.com/archive.php?id=1580
österreichisches Staatsarchiv AT-OeStA/AVA Adel HAA AR 1090.6
https://www.archivinformationssystem.at/detail.aspx?ID=4389199
Wappen Witweiler in der Fischnaler-Wappenkartei:
https://wappen.tiroler-landesmuseen.at/index34a.php?id=&do=&wappen_id=29262&sb=witweiler&sw=&st=&so=&str=&tr=99 - https://wappen.tiroler-landesmuseen.at/index34a.php?id=&do=&wappen_id=29263&sb=witweiler&sw=&st=&so=&str=&tr=99 - https://wappen.tiroler-landesmuseen.at/index34a.php?id=&do=&wappen_id=29261&sb=witweiler&sw=&st=&so=&str=&tr=99
Alois Niederstätter: Beiträge zur Verwaltungsgeschichte Vorarlbergs (14. bis 16. Jahrhundert), in: Montfort, Zeitschrift für Geschichte Vorarlbergs, 39. Jahrgang, Band 1, 1987, S. 53-70
https://www.mgh-bibliothek.de/dokumente/a/a147449.pdf
Manfred Tschaikner: Das Urbar der Herrschaften Bludenz und Sonnenberg von 1620 - ein Überblick, Vortrag in der Reihe "Forscherfrüchte" des Vorarlberger Landesarchivs am 18.1.2012 in Bregenz (Landesarchiv), am 25.1.2012 in Schruns und am 29.1.2012 in Nenzing, auch in: Verba Volant, Nr. 83, Januar 2012, online:
http://apps.vorarlberg.at/vorarlberg/pdf/vv83mturbar.pdf

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