Bernhard
Peter
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Photos schöner alter Wappen Nr. 3208
Luxemburg (Großherzogtum Luxemburg)
Die Kirche Saint-Jean-du-Grund
Die Kirche Saint-Jean-du-Grund (Johanneskirche, Église Saint-Jean Baptiste) befindet sich im Luxemburger Stadtteil Grund und bildet eine bauliche Einheit mit dem Neumünsterkloster der Benediktiner, mit dem sie zusammen ab 1606 gemeinsam neu errichtet wurde. Es ist nicht der erste Kirchenbau an dieser Stelle, denn schon 1309 wird in der Gründungsurkunde des Grafen Heinrich VII. von Luxemburg eine Kirche an diesem Ort genannt. Sie wurde 1311 Johannes dem Täufer und der Jungfrau Maria geweiht. Aus gotischer Zeit stammt die sogenannte schwarze Madonna, ein als wundertätig verehrte Gnadenbild der Muttergottes, stilistisch der Kölner Parler-Schule zuzurechnen. Die Kirche erhielt ihre jetzige Gestalt aber erst im Barock in den Jahren 1688 bis 1705 unter Abt Willibrord Cuno (sein Wappen befindet sich als Eisenanker außen am Abteigebäude, ohne Abb.; es zeigt in geteiltem Schild drei (2:1) aufrechte Stockanker, auf dem oberen Rand die Inful und die Krümme des Abtsstabes), und die Innenausstattung datiert sogar teilweise noch später, so stammt die Orgel aus dem Jahr 1710.
Am monumentalen vergoldeten Hochaltar, welcher aus der im 19. Jh. abgetragenen Franziskanerkirche in der Oberstadt stammt, ist ein Wappen des Königreichs Frankreich angebracht, das Wappen des Hauses Bourbon. Der Neubau der Kirche fiel in die Zeit der französischen Herrschaft über die Stadt Luxembourg, insofern paßt das Wappen trotzdem. Die Truppen Ludwigs XIV hatten im Zuge der Réunionskriege unter Marschall de Créquy die Hauptstadt des Herzogtums 1684 belagert und erobert; am 4.6.1684 erfolgte die Kapitulation des Gouverneurs Ernest Dominique Alexandre de Croy-Ligne, Herzog von Arenberg, Prince de Chimay. Die französische Herrschaft währte bis 1697, dann wurde Luxembourg per Vertrag (Friede von Rijswijk, der den Pfälzischen Erbfolgekrieg beendete) an Spanien zurückgegeben, zusammen mit allen anderen in den spanischen Provinzen vollbrachten Reunionen wie Brabant.
Wir sehen am Altar deswegen das französische Lilienwappen Ludwigs XIV., in Blau drei (2:1) goldene Lilien (d'azur à trois fleurs de lis d'or). Als Schildhalter dienen zwei Engel, in der französischen Heraldik silbern gekleidet und mit goldenen Flügeln, mit offenem goldenem Haar. Der ovale Schild wird umgeben von zwei Orden. Der innere Orden ist der Ordre de St. Michel (Michaelsorden), die Kette besteht aus mit Knotenschnüren verbundenen Muscheln, das Medaillon zeigt des Hl. Michael als Drachenbezwinger mit einem Schild mit Kreuzmotiv. Der Orden wurde 1469 als Konkurrenz zum Orden vom Goldenen Vlies gegründet und unterstand der Leitung durch den König, wodurch die auf ihn vereidigten Angehörigen des Hochadels besonders an das Königshaus gebunden wurden. Die äußere Kette ist der Ordre du Saint Esprit (Orden vom Heiligen Geist), typisch ist das achtspitzige Ordenskreuz mit der gestürzten silbernen Taube als Symbol für den Heiligen Geist. In den Winkeln zwischen den Kreuzarmen sind goldene Lilien angebracht. Die Ordenskette weist einerseits mit Lilien belegte Glieder auf. Andere Glieder zeigen den von Kronen umgebenen Buchstaben "H" für den Gründer Henri III., und die dritte Sorte Glieder trägt Trophäen (Helme und Waffen). Alle Glieder tragen in den Winkeln rote Flämmchen. Der Orden wurde 1578 gegründet und ist der bedeutendste französische Ritterorden. Von 1643 bis 1715 war König Ludwig XIV. der vierte Großmeister (grand maître) des Ordens. In der französischen Revolution wurde der Orden aufgehoben. 1814-1830 gab es noch einmal eine Wiederbelebung. Der Lilienschild der Bourbonen wird bekrönt von der französischen Königskrone mit Lilienschmuck.
An der Orgelempore ist ein weiteres Wappen angebracht, das aus drei Elementen besteht. Das Schriftband besagt: "DONATORUM HUI ALTARIS", der Stifter dieses Altars. Das zentrale Wappen ist dasjenige der d'Autel (von Elter), in Rot ein durchgehendes, goldenes Kreuz, begleitet von 18 goldenen Schindeln, in jedem oberen Winkel 5 (2:1:2), in jedem unteren Winkel 4 (2:2). Als Schildhalter dienen zwei widersehende Adler. Das Beiwappen heraldisch links, also optisch rechts, zeigt das gevierte Schildbild der de Larochette (von Fels), Feld 1 und 4: in Silber ein rotes Ankerkreuz, Feld 2 und 3: in Gold ein schwarzer Zickzackbalken. Das Beiwappen auf der anderen Seite zeigt in Silber einen Mönch in schwarzem Habit mit einem roten Buch in der linken Hand und einem goldenen Krummstab in der Rechten, vermutlich ein Hinweis auf die Benediktiner. Da die Inschrift auf einen Altar verweist, handelt es sich bei der Anbringung an der Orgelempore um eine Zweitanbringung. Das hängt damit zusammen, daß nach den Schäden durch die französische Revolution eine Neuausstattung mit Stücken aus anderen Kirchen erfolgte und umdekoriert wurde, und viele Objekte wechselten von anderen Kirchen hierher und innerhalb dieser Kirche den Platz. Der heraldische Hinweis auf den Benediktinerorden spricht dafür, daß das Kunstwerk für eine Kirche dieses Ordens angefertigt worden ist, wahrscheinlich am ursprünglichen Hochaltar angebracht war, denn beim Neubau wurde die Kirche zu einer baulichen und institutionellen Einheit mit dem angrenzenden Benediktinerkloster. Der Altar der Benediktiner kam nach der französischen Revolution zunächst in die heutige Kathedrale und wurde später nach England verkauft. Vermutlich stammt das Wappen dAutel daher. Es sollte aber auch daran gedacht werden, daß das eigentliche Abteiwappen die auf der Mondsichel stehende Jungfrau mit dem Kinde innerhalb eines Strahlenkranzes war, und so verwendet es Abt Edinger am heutigen Altarsockel der Münsterabtei in Kombination zusammen mit seinem eigenen Löwenwappen. Andererseits hätte das Abteiwappen wiederum nur Angehörigen des Ordens zugestanden, nicht aber Stiftern.
Mit diesem Wappen an der Orgelempore wechseln wir von der französischen Epoche Luxemburgs zur zweiten spanischen Epoche. Ernest Dominique Alexandre de Croy-Ligne, Herzog von Arenberg, Prince de Chimay, war der letzte Gouverneur der ersten spanischen Epoche, und er mußte kapitulieren und die Stadt an François de Créquy, marquis de Marines (-4.2.1687), übergeben. Der Herzog von Arenberg wurde danach Vizekönig von Navarra und starb am 3.6.1686 in Pamplona. Mit der Annexion Luxemburgs durch Frankreich wurden nun französische Gouverneure eingesetzt, erst Henri marquis de Lampert (-1.8.1686, amtierte 1684-1686), dann Louis-François erst comte dann duc de Boufflers (-22.8.1711, amtierte 1686-1687), dann Nicolas de Laye du Blé, marquis d'Huxelles (-10.4.1730, amtierte 1687-1688), gefolgt von Nicolas de Catinat, seigneur de St. Gratien (-23.2.1712, amtierte 1688-1690), dann Henri, duc d'Harcourt (-19.10.1718, amtierte ab 1690), dann Louis-François du Parc, marquis de Locmaria (-14.10.1709) als letzter französischer Gouverneur Luxemburgs bis 1697. Und nach dem Übergang an die spanische Herrschaft wurde Jean-Frédéric comte d'Autel (7.9.1645-1.8.1716) als neuer Gouverneur eingesetzt und amtierte 1697-1714, bis Luxemburg im Frieden von Rastatt 1714 an Österreich kam. Erst mit der Ankunft der österreichischen Verwaltung wurde er aus dem Amt entfernt. Deshalb kann dieses Wappen Jean-Frédéric comte d'Autel als Stifter zugeordnet werden, dem damaligen Luxemburger Gouverneur. Außerdem war er Herr von Lahr, Mersch (Wappen an der Kirche), Fels (La Rochette), Heffingen, Nieuwdorp und Waterscheide und zeitweise auch von Remich und Vogelsang bei Hassel. Das Wappen Larochette wird dadurch erklärt, daß er der Sohn von Godefroid dAutel (-1672) und Apollonie de Larochette war. Jean-Frédéric comte d'Autel war auf der spanischen Seite positioniert, Berater des spanischen Königs und wurde am 20.12.1685 von König Karl II. von Spanien in den Grafenstand erhoben. Am 19.12.1705 nahm ihn der spanische König Philipp V. in den Orden vom Goldenen Vlies auf. Da hier am Wappen keine entsprechende Collane zu sehen ist, datiert das Schnitzwerk also aus der Zeit 1685-1705, also zwischen der Grafenstandserhebung (vorher ohne die Schildhalter) und der Mitgliedschaft im Orden vom Goldenen Vlies (danach mit Collane). Jean-Frédéric comte d'Autel trat im Spanischen Erbfolgekrieg als Generalleutnant zunächst auf kurpfälzischer Seite in den Krieg ein, dann wechselte er in kaiserliche Dienste als Feldmarschallleutnant und Artillerieinspektor. Der Graf d'Autel wurde in der Franziskanerkirche Luxemburg bestattet. Dort befand sich vor deren Zerstörung und Abtragung links im Chor ein Grabdenkmal mit einer 8er-Ahnenprobe.
Im Chor der Kirche gibt es an den Sakristeitüren noch ein gemaltes Wappen (ohne Abb.) in Form eines gespaltenen Ehewappens, für Franz Kaspar Adrian Freiherr von Schellart zu Obbendorf (in Silber ein schwarzer, rot gekrönter Löwe) und seine Ehefrau Maria Sidonia von Beck (-9.11.1669), eine Tochter des berühmten Kriegsherrn Johann Baron von Beck (Baron Jean de Beck); letztere linke Spalthälfte ist geviert mit Herzschild (Beschreibung im Kapitel zu Heisdorf). Ein zweites Wappen auf den Sakristeitüren steht für Maria Sidonias Bruder, Freiherr Johann Georg von Beck zu Beaufort (-1677), vermählt mit Anna Antoinette Baronin von Daun (-1677), Tochter von Karl von Daun, Herr zu Sassenheim, und Anna Magdalena von Berghe von Trips. Auch dieses gemalte Wappen hat die Gestalt eines gespaltenen Ehewappens. Ein weiteres Wappen kann man im Chor auf einem Gemälde entdecken, der goldene gekrönte Löwe in rotem Feld zwischen drei (2:1) Schildchen gehört zu Abt Edinger, dessen Wappen am Altarsockel oben bereits erwähnt wurde, auch hier von einer Inful gekrönt und mit einem Krummstab hinter dem Ovalschild hervorschauend.
Literatur,
Links und Quellen:
Lokalisierung auf Google Maps:
https://www.google.de/maps/@49.6106962,6.1360399,19z?entry=ttu - https://www.google.de/maps/@49.6106104,6.1361984,89m/data=!3m1!1e3?entry=ttu
Dr. Jean-Claude Loutsch, Armorial du pays de Luxembourg, 1974
Ordre de St. Michel: http://fr.wikipedia.org/wiki/Ordre_de_Saint-Michel
Ordre du Saint Esprit: http://fr.wikipedia.org/wiki/Ordre_du_Saint-Esprit
Roger Bour, Stadt und Festung Luxemburg von A-Z, 1992.
Jean-Frédéric comte d'Autel - https://de.wikipedia.org/wiki/Johann_Friedrich_von_Elter - https://lb.wikipedia.org/wiki/Jean-Fr%C3%A9d%C3%A9ric_d%27Autel
Kirche auf Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Johanneskirche_(Luxemburg)
katholische Kirche in Luxemburg: https://www.cathol.lu/de/ - Innenstadtpfarrei: https://web.cathol.lu/1/paroisses/par-letzebuerg-notre-dame/
Alex Langini: L'église Saint-Jean - un lieu de culte vieux de
presque sept siècles, in Abbaye de Neumunster, Luxembourg 2004
Herrn Alex Langini ein herzliches Dankeschön für wertvolle
Hinweise zur Geschichte der Altäre und für viele weitere
einzigartige Informationen und Photos
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