Bernhard Peter
Gute heraldische Praxis: Schildhalter

Fakultative Prunkstücke
Schildhalter sind fakultative Wappenbestandteile. Das heißt, sie gehören nicht notwendigerweise zu einem Wappen dazu, um die ausschließliche Zuordnung zu einer Familie und die Erkennbarkeit zu gewährleisten. Ein Wappen, das normalerweise mit Schildhaltern verwendet wird, ist immer auch ohne Schildhalter heraldisch korrekt dargestellt. Schildhalter sind Nebenstücke und Prachtstücke, also Zutaten außerhalb des eigentlichen Wappens, genau wie Wappenmäntel, Wappenzelte, Fahnen, Orden, Devisen (Wahlspruch), Schwert und Krummstab bei Fürstbischöfen und Fürstäbten und weiteren Kronen über dem eigentlichen Wappen.

Arten von Schildhaltern
Schildhalter können prinzipiell menschliche Figuren, Tiere oder Fabelwesen sein. Menschliche Schildhalter werden auch als Garden, Schildbuben oder Wappenknechte bezeichnet. Auch allegorische und mythologische Gestalten kamen vor. Besonders beliebt sind natürlich die klassischen heraldischen Tiere wie Löwen oder Hunde, aber auch sog. wilde Männer kommen häufig vor, das sind oft stark behaarte oder spärlich bekleidete Waldmenschen mit Keule in der Hand und Laubgewinden. Engel sind ebenfalls ein verbreitetes Motiv. An bemerkenswerten Fabelwesen wären beispielsweise die beiden Löwenweiber der ausgestorbenen belgischen Adelsfamilie Vrancx d'Amelin zu nennen, die beiden silbern geflügelten goldenen Markuslöwen des belgischen Barons Marquet oder die beiden laubumgürteten Faune des belgischen Barons Marcel Michel Poot (bekannter Komponist).

Beispiel: Wilde Männer am Wappen der Herzöge von Braunschweig-Wolfenbüttel am Knustschen Haus in Wolfenbüttel (ausführliche Erläuterungen unter Welfen (1), Welfen (2), Welfen (3)).

Im Laufe der Zeit hat es eine Entwicklung gegeben: Waren es früher die Besitzer der Wappen selber, häufig in voller Rüstung, die auf Siegeln oder Bildhauerarbeiten ihr eigenes Wappen hielten, so waren es später fiktive Gestalten. Schildhalter konnten, da sie keine wesentlichen Elemente eines Wappens waren und ihr Austausch nicht bedeutungsrelevant war, nach eigenem Gutdünken angenommen und geändert werden. Nur bei einigen Wappen regierender Häuser und Staaten werden die Schildhalter verbindlich festgelegt und an die Nachkommen weitergegeben.

Beispiele für Schildhalter wichtiger Adelshäuser und Staaten etc.:

Photobeispiele historischer Schildhalter:
Waren später auch die Schildhalter hochadeliger Häuser entweder durch Usus oder durch Diplome oder beides festgelegt, so gilt dies nicht für die gängige Praxis der Mehrzahl der Wappenträger, aus einem künstlerischen Empfinden heraus Schildhalter zu verwenden, die gerade in den Kontext paßten und für schön empfunden wurden. Diese wurden je nach Belieben und ohne irgendeine Regelung offizieller Natur einfach verwendet, wie es dem Künstler und Auftraggeber paßte.

Beispiele für Schildhalter: Abb. links: Adelsheim, Oberschloß der Freiherren von Adelsheim, Schildhalter unter dem Erker. Hier ist unter der Erkerspitze ein Männchen angebracht, das den Schild vor sich mit beiden Händen fixiert. Abb. rechts: Konsolwappen an der Außenseite von St. Lorenz, Nürnberg, mit einem Ritter in Kettenhemd als Schildhalter

Beispiele für Schildhalter: Abb. links: Konsolwappen an der Außenseite von St. Lorenz, Nürnberg, mit einem Mann mit Gabelbart als Schildhalter. Abb. rechts: Konsolwappen in St. Sebald, Nürnberg, mit dem Ebner-Wappen und zwei Frauengestalten als Schildhalterinnen.

Typische Posen
Dabei können die Schildhalter den Schild mit beiden Händen (bzw. Pranken) oder einer Hand (bzw. Pranke) festhalten, oder sie können einfach wie Wächter daneben stehen. Liegende Personen oder Tiere sind nicht heraldisch optimal, nicht nur wegen der verlorengehenden graphischen Kohärenz, sondern auch wegen der Verletzung der Konvention, daß Tiere immer in aggressiver Pose dargestellt werden. Schildhalter stehen stets auf einem Boden und schweben nicht frei in der Luft.

Beispiel: Schloß Horneck in Gundelsheim (Neckar), lediger Schild mit zwei Schildhaltern im inneren Schloßhof.

Schildhalter können sowohl nach innen blicken (ohne Angabe) als auch nach außen sehen (widersehend sein), oder sie können den Betrachter anblicken (hersehend sein). Diese drei Grundtypen werden auch in der vollständigen fachlichen Beschreibung eines Wappens mit seinen Prunkstücken angegeben. Widersehende Schildhalter sind trotz der etwas unnatürlichen Pose sehr beliebt, weil sie quasi wachsam nach außen blicken und den von ihnen gestützten Schild verteidigen.

Beispiel: heraldisches Exlibris, bezeichnet "Bibliothèque du Château de Valençay" von unbekannter Hand für Charles Maurice de Talleyrand-Périgord (2.2.1754 - 17.5.1838). Die Schildhalter sind zwei widersehende Adler.

Bildbeispiel: Marburg, Markt 16, Marburger Haus der Romantik (Romantik-Museum), Allianzwappen mit den allseits beliebten Löwen als Schildhaltern aus dem 17. Jh., deren Größe die der Vollwappen deutlich übersteigt. Die Löwen sind so groß, daß sie nicht den Schild fassen, sondern die Helmdecken greifen.

Bezug zum Schildinhalt oder zum Namen
Gerne werden die Wappentiere aus dem Stammwappen verwendet. So haben die Grafen von Schönborn einen goldenen Löwen, die Grafen von Walderdorff einen rot-silbern geteilten doppelschwänzigen Löwen, die von Ostein den Hund wie im Schild. Die von Bassenheim haben die Schwäne als Schildhalter, wie bei ihrer Helmzier. Oder es werden redende Schildhalter verwendet, so haben die von Greiffenclau, deren Schildbild ja keinerlei redende Elemente enthält, zwei Greifen als Schildhalter. Die Fürsten von Monaco haben schwertschwingende Mönche, auch dies eine Anspielung auf den Namen und die Geschichte der Familie. Der Bezug zu Schildinhalt oder Name ist dabei ein Kann, kein Muß.

Beispiel: Kurfürstliches Schloß in Prüm (Eifel). Optisch links der goldene Löwe der Grafen von Schönborn, optisch rechts der rot-silbern geteilte doppelschwänzige Löwe der Grafen von Walderdorff. Beide tauchen im Herzschild mit dem Stammwappen auf.

Beispiel: Staatswappen des Großherzogtums Mecklenburg-Schwerin am Knustschen Haus in Wolfenbüttel. Der Stier ist dem Feld des Herzogtums Mecklenburg entlehnt (sollte eigentlich schwarz sein), der Greif dem Feld des Fürstentums Schwerin.

Bezug zur Helmzier
Gerne werden auch Wappentiere aus der Helmzier verwendet. So haben die Barons Clifford of Chudleigh einen roten Drachen als Helmzier, und als Schildhalter dienen zwei Drachen (wyvern), mit den typischen pfeilartig endenden Zungen und Schwänzen, mit zwei Beinen und einem Flügelpaar.

Beispiel: Exlibris für den Baron Clifford of Chudleigh aus dem 17. Jh. Das Wappen ist geschacht von Gold und Blau mit einem roten Balken (echiqueté d'or et d'azur, à la fasce de gueules). Die vorhandenen Schraffuren sind keine heraldischen Schraffuren und können nicht nach den bekannten und heute üblichen Regeln in Farben übertragen werden. Der Urheber der Zeichnung ist mir nicht bekannt. Der Titel eines Barons Clifford of Chudleigh wurde am 22.4.1672 für Thomas Clifford geschaffen, den ersten der Reihe, Sohn von Hugh Clifford of Chudleigh, Devon and Ugbrooke.

Helme auf den Köpfen der Schildhalter
Bei Wappen mit mehreren Helmen auf dem Wappenschild macht man sich die Verbreiterung manchmal zunutze, indem die äußeren Helme den Schildhaltern aufgesetzt werden.

Beispiel: Bad Mergentheim, Deutschordensschloß. Die Helme mit den Helmzieren für den Deutschen Orden und für das Hochmeistertum werden den Greifen aufgesetzt.

Kein Ausdruck des Ranges
Das Führen von Schildhaltern ist in der deutschen heraldischen Tradition nicht an einen bestimmten Rang gebunden. Schildhalter sind damit auch niemals Ausdruck eines Ranges und ungeeignet, um mehr zu scheinen als zu sein. Schildhalter waren z. B. bei Wappen von Bürgern und Patriziern der Reichsstädte gerne geübter Usus, wie entsprechende Kupferstiche der Renaissance illustrieren. Ein gehäuftes Auftreten von Schildhaltern findet sich natürlich bei prunkvollen Wappen des Hochadels, meist mit anderen Prunkstücken kombiniert. Was tatsächlich bei einem Wappen an Prunkstücken zur Ausführung kommt, hängt auch ein bißchen von der Zeit und von der Tradition des Landes ab. In Belgien sind Schildhalter z. B. sehr beliebt, in Deutschland würden sie bei Bürgerlichen jedoch heutzutage sehr deplaziert wirken, reichlich übertrieben. Man kann nur zum notwendigen Fingerspitzengefühl raten, was angebracht und üblich ist und was nicht. Weniger ist hier mehr. In anderen Ländern wie z. B. Großbritannien unterliegt die Führung von Schildhaltern anderen Regeln.

Besonderheiten: Doppelt hält besser
Hier Schildhalter, die auf "Nummer Sicher" gehen wollen: Das Wappen ist schließlich hoch oben am Rathaus von Lemgo angebracht, wo es auch mal kräftig windet. Da ist es wohl besser, nicht nur den Schild, sondern auch noch den Schildinhalt zusätzlich festzuhalten - so mag der Bildhauer gedacht haben, als er Löwe und Greif jeweils durch ein Loch von hinten durch den Schild greifen ließ, damit sie die Rose des Stadtwappens zusätzlich vor dem Herunterfallen bewahren:

Zusammenfassung:

Literatur, Links und Quellen:
Veröffentlichung der Innenaufnahme aus St. Sebald mit freundlicher Erlaubnis von Herrn Pfarrer Dr. Axel Töllner und Herrn Pfarrer Gerhard Schorr vom 12.7.2010, wofür ihnen an dieser Stelle ganz herzlich gedankt sei.
St. Sebald: http://www.sebalduskirche.de/
Schildhalter regierender und ehem. regierender Häuser: Hugo Gerard Ströhl, Deutsche Wappenrolle, Reprint von 1897, Komet Verlag Köln, ISBN 3-89836-545-X
Wappenfibel, Handbuch der Heraldik, hrsg. "Herold", Verein für Heraldik, Genealogie und verwandte Wissenschaften, Verlag Degener, Neustadt 1981

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