Bernhard
Peter
Galerie:
Photos schöner alter Wappen Nr. 3195
Kastellaun
(Rhein-Hunsrück-Kreis)
ev. Pfarrkirche Kastellaun: Gabriel Eschenfelder
Dieses sandsteinerne Epitaph ist an der Nordostseite des Langhauses zu finden, am zweiten Pfeiler des Hauptschiffes und zwischen den ersten beiden Arkadenbögen, von Südosten gerechnet. Das 1612 geschaffene Kunstwerk ist 2,35 m hoch und 1,22 m breit und in drei Zonen aufgeteilt. Die von zwei mit Trophäen belegten Pilastern mit seitlichen Volutenauszügen eingefaßte Hauptzone besitzt eine eingelassene schwarze Schiefertafel für die in golden gefaßten Lettern ausgeführte Inschrift. Die Sockelzone bzw. Unterhangszone zeigt zwischen den beiden Konsolen ein von Rollwerk eingefaßtes Medaillon mit einem schlafenden, von einem Totenschädel und einer Sanduhr als Memento mori begleiteten Putto. Oben besteht die Bekrönung aus einer großen Rollwerkkartusche zwei liegenden, hersehenden Löwen. Das Epitaph stammt vermutlich aus der Werkstatt des Simmerner Bildhauers Conrad Wohlgemuth.
Eine erste Inschrift ist auf dem Gebälk der Hauptzone angebracht, deutsch und in Fraktur ausgeführt: "Christus ist mein leben u(n)d sterben ist mei(n) gewin(n) / Philip(er) / Cap 1", wobei die Quellenangabe des Bibelzitats auf die beiden äußersten Abschnitte über den Pilastern verteilt ist. Die zweite Inschrift füllt das Hauptfeld und ist in lateinischer Sprache und in Kapitalis ausgeführt: "D(EO) T(RINO) O(PTIMO) M(AXIMO) / VIRO / AMPLISSI(M)O ET PRVDENTISSIMO / DOMINO / GABRIELI ESCHENFELDERO / BONNAE VBIORVM A(NN)O 1612 DIE 9 IVNII / PARENTIBVS CONSVLARIBVS NATO POSTQVAM / GEBHARDO TRVCHSESIS, CVM ERNESTO BAVARO / DE EPISCOPATV DIMICANTE, MVLTA INIQVA / TVLISSET, ET HINC AD LANDGRAVIORVM / HASSIAE PRAEFECTVRAM TELONARIAM / BOPPARDIAE EVECTVS ESSET, INDEQ(VE) CVM / FAMILIA PESTIFERVM AEREM ANNO MDC / XII FVGISSET, DIE X IVNII HERNIA HIC / EXTINCTO, VIDVA MARGRETHA NETTESHEIMIA / CVM QVINQ(VE) RELICTIS LIBERIS, PIAE MEMORIAE / ET DEBITAE OBSERVANTIAE TESTIMONIVM / HOCCE PONEBANT // MANES / SINT LICET IN CINERES FATALI MORTE REDACTA ET NOSTRA HIC CAMPVS FLACCIDA MEMBRA TEGAT ATTAMEN IN SVPERIS QVOD VIVAS CREDO R(E)DEMPTOR QVI EXTINCTIS VITAM RESTITVISSE VELIS // IOB". Im ersten Teil ist das die eigentliche Grabinschrift mit den biographischen Daten, der zweite Teil ist ein Grabgedicht in Form zweier Distichen: Dem besten und größten dreieinigen Gott (und) dem hochachtbaren und sehr klugen Mann, Herrn Gabriel Eschenfelder, in Bonn im Jahr 1612 am 9. Juni (ein Fehler, das ist das Todesdatum, nicht das unbekannte Geburtsdatum) in einer Ratsherrenfamilie geboren, hat er, als Gebhard Truchsess mit Ernst von Bayern um das Bischofsamt kämpfte, viel Unbill erlitten und ist danach zum Vorsteher des landgräflich hessischen Zolls zu Boppard ernannt worden und ist von da im Jahr 1612 mit seiner Familie vor der pestverseuchten Luft geflohen und hier am 10. Juni an einer Hernie gestorben. Seine Witwe, Margaretha Nettesheim, und ihre fünf zurückbleibenden Kinder haben ihm dieses (Monument) als Zeugnis frommen Angedenkens und geschuldeter Achtung machen lassen. Die Seelen der Verstorbenen, wenn auch unsere welken Glieder durch den verhängnisvollen Tod zu Asche gemacht werden und sie hier das Feld deckt, glaube ich doch, daß du, Erlöser, im Himmel lebst, der du den Toten das Leben zurückgeben wollest. Außerhalb des Pentameters: Quellenangabe Hiob.
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Daraus können wir folgende Fakten über das Leben des hier bestatteten landgräflich hessischen Zollbeamten Gabriel Eschenfelder herauslesen: Er wurde in Bonn geboren. Die im Rheinland von Bonn bis Boppard nachgewiesene Familie hatte zahlreiche Mitglieder, die als Zollbeamte verschiedenen Landesherren dienten. Er war der Urenkel von Christoph Eschenfelder, bekannter Bopparder Zollschreiber und Humanist, Brieffreund von Erasmus von Rotterdam.
Gabriel Eschenfelder mußte Bonn verlassen, als dort 1583-1588 der sogenannte Truchsessische Krieg wütete. Der bisherige Kölner Erzbischof (Bonn war kurkölnische Residenz) Gebhard Truchsess von Waldburg trat zum Protestantismus über, und es stand die Idee im Raum, das Erzstift Köln in ein protestantisches, erbliches Herzogtum umzuwandeln. Der Konfessionswechsel hatte als Ursache, daß er sich in Agnes von Mansfeld-Eisleben verliebt hatte und sie heiraten wollte und auch sollte. Da sie Stiftsdame war und er die Priesterweihe empfangen hatte, schien der einzige Weg zur Legalisierung der Beziehung der Konfessionswechsel zu sein. Gebhard hatte auf die Unterstützung der anderen evangelischen Reichsfürsten gehofft, doch die blieb aus, weil der Vorgang gegen Reichsrecht verstieß, denn er hätte sein Amt zur Verfügung stellen müssen und Neuwahlen Platz machen müssen. Gebhard heiratete, erhielt von Kaiser Rudolf II. sofort die Rücktrittsforderung und vom Papst die Exkommunikation und Amtsenthebung. Das Kölner Domkapitel wählte Ernst von Wittelsbach zum neuen Erzbischof; das war der Bruder des Herzogs Wilhelm V. von Bayern. Gebhard akzeptierte seine Absetzung nicht, und es kam zu einem fünf Jahre währenden Krieg, der in Teilen des Kurkölner Gebietes zu erheblichen Schäden führte und zu einer mehrfachen gegenseitigen Eroberung von Bonn führte. Schließlich mußte sich Gebhard geschlagen geben. Langfristig führte dieser Krieg dazu, daß Kurköln fortan fest in wittelsbachischer Hand blieb und immer wieder Mitglieder der Familie zum Erzbischof gewählt wurden.
In diesen unsicheren Zeiten also floh Gebhard nach Boppard und nahm dort am 25.6.1597 eine Stelle als landgräflich hessischer Zollbeamter an. Er wohnte im landgräflich hessischen Hof, den er zu seinem Amt verliehen bekommen hatte. Und von Boppard floh er nach Kastellaun, weil in ersterer Stadt die Pest grassierte. Da seine Tochter hierhin geheiratet hatte, suchte er vermutlich in ihrem Hause Zuflucht. Er verstarb in Kastellaun an einem Leistenbruch. Seine Witwe, die in zweiter Ehe Dr. Johann Reinhard Freinsheimer aus Boppard heiratete, gab dieses prächtige Epitaph in Auftrag. Von Gabriel Eschenfelder ist auch noch eine Grabplatte fragmentarisch erhalten.
Das bürgerliche Wappen Eschenfelder in der mit Roll- und Beschlagwerk versehenen Kartusche im Aufsatz zeigt einen schräggestellten, beiderseits abgeschnittenen, unten zweimal und oben einmal mit Astansätzen versehenen Baumstamm ("Eschenstamm"), auf dem bewulsteten Helm wachsend ein Einhorn. Die Tinkturen sind nicht bekannt; das am 15.02.1544 zu Speyer mit Lehenartikel verliehene Wappen ist nicht in den Standardsammlungen wie Siebmacher oder Rietstap verzeichnet.
Literatur,
Links und Quellen:
Lokalisierung auf Google Maps:
https://www.google.de/maps/@50.0726961,7.4390894,19z?entry=ttu - https://www.google.de/maps/@50.0726596,7.4389983,108m/data=!3m1!1e3?entry=ttu
Evangelische Kirchengemeinde Kastellaun https://www.ekgkastellaun.de/
Veröffentlichung der Innenaufnahmen aus der Kirche mit
freundlicher Erlaubnis des Presbyteriums der Kirchengemeinde vom
4.7.2025, wofür ihm und Herrn Pfarrer Knut Ebersbach an dieser
Stelle herzlich gedankt sei
Die Inschriften der evangelischen Pfarrkirche in Kastellaun,
bearbeitet von Susanne Kern, Inschriften Mittelrhein-Hunsrück,
Heft 11, hrsg. von der Akademie der Wissenschaften und der
Literatur, Mainz, und dem Institut für Geschichtliche
Landeskunde an der Universität Mainz e.V., Mainz 2008, Nr. 12
Die Inschriften des Rhein-Hunsrück-Kreises II (ehem. Lkrs.
Simmern und westlicher Teil des ehem. Lkrs. St. Goar), Bd. 79 der
Reihe "Die Deutschen Inschriften", gesammelt und
bearbeitet von Eberhard J. Nikitsch, Wiesbaden 2010, ISBN:
9783895006678, Nr. 140
Deutsche Inschriften Bd. 79, Rhein-Hunsrück-Kreis II, Nr. 140
(Eberhard J. Nikitsch), in: www.inschriften.net,
urn:nbn:de:0238-di079mz12k0014002 - https://www.inschriften.net/rhein-hunsrueck-kreis-ii/inschrift/nr/di079-0140.html?tx_hisodat_sources%5Baction%5D=show&tx_hisodat_sources%5Bcontroller%5D=Sources&cHash=4b52feb404d231236e3ae52a386f6170
Manfred Eschenfelder, in: Thesaurus Personarum, pfälzische
Personengeschichte des 16. bis 18. Jahrhunderts, pdf:
https://www.thesaurus-personarum.de/download/21/e/407/eschenfelder-manfred.pdf
österreichisches Staatsarchiv AT-OeStA/AVA Adel RAA 102.17 https://www.archivinformationssystem.at/detail.aspx?ID=1793934
Truchsessischer Krieg: https://de.wikipedia.org/wiki/Truchsessischer_Krieg
ev. Pfarrkirche Kastellaun: Junker Simon von Sponheim - ev. Pfarrkirche Kastellaun: Graf Simon II. von Sponheim - ev. Pfarrkirche Kastellaun: Karl Beusser von Ingelheim - ev. Pfarrkirche Kastellaun: Christoph Viel und Angehörige - ev. Pfarrkirche Kastellaun: Franz Römer - ev. Pfarrkirche Kastellaun: Barbara Koppensteiner - ev. Pfarrkirche Kastellaun: Jeremias Heiderich Orth
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