Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 3185
Simmern (Rhein-Hunsrück-Kreis)

Epitaphien in der Stephanskirche: Johann Stephan Rhodler

An der Südwand des Chores hängt unter den ganzen Beamten-Epitaphien auch dieses, 1574 geschaffene für Johann Stephan Rhodler (-7.10.1574), wobei es sich nicht am originalen Anbringungsort befindet: Früher war es einmal gegenüber der Kanzel zu sehen. Es folgt dem klassischen Material-Schema der Epitaphien in dieser Kirche, denn es ist aus Tuffstein mit drei eingesetzten Schriftfeldern aus schwarzem Schiefer. Es mißt 2,12 m in der Höhe und 1,24 m in der Breite. Das aedikulaförmig aufgebaute Epitaph stammt aus der Werkstatt des Johann von Trarbach. 1897 erfuhr es zusammen mit den anderen Grabdenkmälern eine Restaurierung durch den Stuttgarter Bildhauer Karl Wüst. Das Kunstwerk ist dreigeteilt mit einer von ionischen Pilastern seitlich eingerahmten Hauptzone, einer von zwei geflügelten Putten mit gestürzten = erlöschenden Fackeln flankierten Sockelzone unten, und oben einer kleinen schmalen Gebälkzone und einem medaillonartigen Aufsatz mit Rollwerk um die kreisförmige Szene mit der Auferstehung Christi. Die seitlichen Pilaster der Hauptzone sind außen von Voluten flankiert. Die Pilasterflächen tragen als Memento mori Sanduhr, Knochen, Spitzhacken und andere mit dem Tod assoziierte Werkzeuge.

Die kurze Inschrift in der Gebälkzone ist ein Einzeiler in Fraktur: "Ich bin die aufferstehung und das leben". Die Inschrift der Hauptzone hat folgenden Wortlaut in Kapitalis: " IOANNI STHEPHANO RHODLERO / HVNNO, I(VRIS) V(TRIVSQVE) CONSVLTO, MAT=/HIAE RHODLERI QVONDAM / SYMMERIAE CANCELLARII / DIGNISS(IMI) PIAE MEMORIAE FILIO, / CONIVGI CARISS(IMO) QVI AETATE / FLORENTI INTRA PRIMVM / CONCORDIS MATRIMONII AN=/NVM, CONTAGIOSA FEBRI COR=REPTVS, NONIS OCTOB(RIS) ANNO / REPARATAE SALVTIS M D / LXXIIII, EX HAC TVRBVLENTA / IN COELESTEM MIGRAVIT / VITAM, ANNA SEELIN RE=/LICTA CONIVNX MOESTISS(IMA) / IN MEMORIAM F(IERI) C(VRAVIT)" - dem Johann Stephan Rhodler, dem aus dem Hunsrück stammenden Gelehrten beider Rechte, Sohn des (seinerzeit) würdigsten Kanzlers zu Simmern, Matthias Rhodler im frommen Angedenken, dem allerliebsten Gatten, der im Alter der Blüte im ersten Jahr einer einträchtigen Ehe durch eine fiebrige Infektionskrankheit hinweggerafft wurde, an den Nonen des Oktobers im Jahr der Wiederherstellung des Heils 1574 aus diesem turbulenten Leben in das himmlische hinüberwanderte, hat Anna Seel, die zurückgelassene tieftraurige Gattin, (dieses Monument) zum Gedächtnis anfertigen lassen. Die Nonen bezeichnen der fünften oder in den abweichenden Monaten März, Mai, Juli und dem hier relevanten Oktober den siebten Monatstag des altrömischen Kalenders. Ganz unten gibt es als dritte Inschrift den Bibeltext, wiederum in Fraktur: "Also hat Gott die Weldt geliebet, das er seine(n) / eingebor(e)nen Sohn gabe, Auff das alle die / an I(h)n glauben ni(ch)t verloren werdenn, / sonder(n) das ewige leben haben. IOAN: III".

Es gibt am Epitaph zwei Wappen, die als ovale Medaillons den seitlichen Pilastern aufgelegt sind. Heraldisch rechts sehen wir das Wappen Rhodler, gespalten mit einem Hirschgeweih, auf dem Helm ein wachsender Mann zwischen zwei Hirschstangen, selbige mit seinen Händen erfassend, Tinkturen unbekannt, und gegenüber das Wappen Seel für seine Ehefrau, eine Wolfsangel, beseitet von zwei Tatzenkreuzen, auf dem Helm ein nicht näher identifizierbares wachsendes Objekt (andere Darstellung: Hund oder Wolf) zwischen einem Flug, Tinkturen unbekannt. Beide Kleinode sind oben beschädigt und lassen nicht mehr erkennen, wie sie einst oben abschlossen. Das Wappen Seel begegnet uns übrigens noch auf einem zweiten Epitaph in der Kirche. Wie die Inschrift schon andeutet, war Johann Stephan Rhodler, der ab 1569 in Heidelberg Rechtswissenschaften studiert hatte, der Sohn von Matthias Rhodler, pfalz-simmernscher Kanzler, und Drusiana Pfaff. Der Stammvater der Familie ist des Verstorbenen Großvater, Hieronymus Rhodler aus Bamberg, der am 18.3.1532 in Simmern starb, wie sein Sohn pfalz-simmernscher Kanzler. Auch für ihn gibt es ein Epitaph in der Kirche. Das Wappen Rhodler wird bei Meyer ohne Tinkturen gelistet. Des Verstorbenen Ehefrau Anna Seel, die er am 8.1.1573 geheiratet hatte, stammte aus Trier und war die Tochter von Otto Seel, pfalz-simmernscher Regierungsrat, und dessen Frau, Anna Sirck. Auch in Koblenz belegt Meyer das Wappen der Familie unter der Schreibweise Sehl, wo die Ratsherrenfamilie 1608 mit Stadtschreiber Dietrich Sehl erlosch. Weil die Ehe aufgrund des frühen Todes nur so kurz währte, gab es keine Nachkommen von Johann Stephan. Die junge Witwe Anna Seel heiratete 1578 in zweiter Ehe Dr. Nicolaus von Gülchen, Stadtsyndikus von Trier, und mit ihm zog sie 1587 nach Nürnberg, wo ihr Mann eine neue Stelle als Ratskonsulent und Advokat der Stadt hatte. Doch diese zweite Ehe wurde für sie nach anfänglicher Euphorie langfristig noch mehr zum Fiasko: Ihr Mann wurde dort in Nürnberg am 23.12.1605 durch Enthauptung öffentlich hingerichtet (die Liste der Gründe war lang: Meineid, Untreue, Veruntreuung, Fälschung, Landesverrat, Umgeldhinterziehung, Ehebruch, Notzucht, Blutschande (alles u. a. mit den eigenen Nichten) etc., sicher damals einer der hochrangigsten Delinquenten), und Anna Seel war zum zweiten Mal Witwe. Sie starb 1606 und wurde auf dem Friedhof der Nürnberger St. Sebaldus-Kirche begraben.

Literatur, Links und Quellen:
Lokalisierung auf Google Maps: https://www.google.de/maps/@49.9849144,7.523126,20z?entry=ttu - https://www.google.de/maps/@49.9849144,7.523126,81m/data=!3m1!1e3?entry=ttu
Gemeindeverbund Simmern:
https://www.hunsrueck-evangelisch.de/ - Simmern: https://www.hunsrueck-evangelisch.de/kirchorte/simmern/
Stephanskirche Simmern auf Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Stephanskirche_(Simmern)
Webseite der Stadt Simmern:
https://www.simmern.de/kultur-tourismus/freizeit-und/gaestefuehrungen/auf-entdeckertour-durch-die-stephanskirche-1
Stephanskirche Simmern:
https://www.kirchweg-am-simmerbach.de/kirchen-kapellen/evangelische-stephanskirche-simmern-hunsrueck/
Webseite des Hunsrück-Museums zur Stephanskirche:
https://www.hunsrueck-museum.de/stadtrundgang-simmern/stephanskirche/
Die Inschriften der evangelischen Stephanskirche in Simmern, bearbeitet von Susanne Kern, Serie Inschriften Mittelrhein-Hunsrück 12, hrsg. von der Akademie der Wissenschaften und der Literatur, Mainz, und dem Institut für Geschichtliche Landeskunde an der Universität Mainz e. V., Mainz 2008
Veröffentlichung der Innenaufnahmen aus der Stephanskirche in Absprache mit Pfarrerin Frau Dr. Christina Risch, ein herzliches Dankeschön für die wohlwollende Erlaubnis vom 16.7.2025
Deutsche Inschriften Bd. 79, Rhein-Hunsrück-Kreis II, Nr. 98 (Eberhard J. Nikitsch), in:
www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di079mz12k0009808 - https://www.inschriften.net/rhein-hunsrueck-kreis-ii/inschrift/nr/di079-0098.html
Georg Jakob Meyer: Hausmarken und Wappen aus dem moselländischen Raum, Band 7, Bürgerliche Wappen aus dem Bezirk Koblenz

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